Ein genialer Illustrator

Antje Neuner-Warthorst – „Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame“

von Frank Becker

Alle freut, was alle freut
 
Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame
 
 
„Als ich ihn 1929 kennenlernte, war Walter Trier längst berühmt.“
(Erich Kästner, 1951)

 
Walter Trier? Kenn ich nicht. So mag manch einer allzu rasch auf die entsprechende Frage zurückgeben. Zeigt man ihm dann aber einen Band von Erich Kästner aus seinem eigenen Bücherregal, wird es heißen, „ja den kenn ich!“ – denn kaum ein Illustrator hat eine so große Popularität erreicht, wie der 1890 in Prag geborene und 1936 vor der tödlichen Dummheit der Nationalsozialisten nach England geflohene Künstler mit dem einzigartigen Strich.
 
Meine erste Begegnungen mit Walter Trier waren Paul Benndorfs „Till Eulenspiegel“ und Kästners „Das Fliegende Klassenzimmer“ aus dem Bücherschrank meiner Eltern, alle anderen Kästner sollten folgen, stets begleitet von Walter Triers Titelbildern und Illustrationen – eine kongeniale Zusammenarbeit, deren Wert bis heute geschätzt wird.
Einen umfassenden Blick auf Triers Werk, das weit mehr umfaßt als jene in beinahe jedem Haushalt zu finden Kästner-Klassiker, wirft ein prächtiger, großformatiger Band von Antje Neuner-Warthorst: „Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame“. Der Titel, mit dem sie auf eine Farblitographie Triers aus dem Jahr 1916 in „Das Plakat“ zurückgreift, zeigt bereits die große Bandbreite der Arbeit des bei Zeitschriften- und Buchverlagen, Werbeagenturen und Firmen jeglicher Couleur gefragten humorvollen, scharfsinnigen, ideenreichen Zeichners. Auf 236 großformatigen Seiten mit zahllosen meist farbigen Illustrationen als Beispiel breitet Antje Neuner-Warthorst in ihrem köstlichen Buch die ganze Palette der vielfältigen Felder aus, auf denen sich der Cartoonist, Karikaturist, Buchillustrator, Werbegraphiker und Trickfilmzeichner Walter Trier getummelt hat.  
 
In die beiden großen Kapitel „Walter Trier für Kinder“ und „Walter Trier für Erwachsene“ eingeteilt, werden für jeden, der als Kind durch seine phantasievollen Illustrationen quasi in die Bücher hineinschlüpfen konnte und alle, die sich einmal mit Triers graphischer Arbeit beschäftigt haben, noch einmal die Kindheit wach und das glucksende Vergnügen an den politischen und kommerziellen aufgefrischt. Natürlich liegt auf der Hand, daß sie dabei mit den Illustrationen zu Erich Kästner beginnt, die in zum Teil ganzseitigen Abbildungen und hervorragender Farbwiedergabe gezeigt werden: „Emil und die Detektive“, „Pünktchen und Anton“, „Der 35. Mai“, „Das doppelte Lottchen“, „Emil und die drei Zwillinge“, „Arthur mit dem langen Arm“, „Die Konferenz der Tiere“, „Münchhausen“ u.v.a.m.. Mit dabei auch der herrliche Fußball-Roman „Klapperzahns Wunderelf“ von Eduard Bass aus dem Jahr 1922, mit der Titelillustration von Trier, den der Verleger Christoph Haacker 2007 für seinen Arco-Verlag wiederentdeckt und in einer sehr hübschen wohlfeilen Ausgabe neu aufgelegt hat. Im Middelhauve Verlag erschien 1975 posthum (Walter Trier war 1951 in Kanada gestorben) ein zauberhaftes Bändchen von Ernst Jandl, frei nach Zeichnungen von Walter Trier: „Alle freut, was alle freut“ – im Grunde ein Lebensmotto des liebenswerten Zeichners.
Erst drei Jahre nach Drucklegung von „Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame“ wurde im Cecilie Dressler Verlag das bis dahin
unverwirklichte Buchprojekt „The Jolly Steamer“ aus dem Jahr 1948 mit einem Text von Harry Rowohlt unter dem Titel „Der lustige Dampfer“ realisiert.
 
In seiner großen Zeit vor, während und nach dem 1. Weltkrieg bis zum Beginn der 30er Jahre arbeitete Trier für die namhaftesten deutschen Satire-Blätter, darunter „Simplicissimus“, „Jugend“, „UHU“, „Berliner Illustrirte Zeitung“, „Lustige Blätter“ und  „Die Dame“. Sein Stil prägte die Zeitschriften über die unverwechselbaren Titelseiten, wie auch später die Schweizer „Annabelle“ und vor allem die englische Zeitschrift „Lilliput“ in 147 Folgen, von denen etliche Titelblätter mit den monatlichen Protagonisten Frau Lene, Herr Walter und Hund Zottel gezeigt werden. Die Karikaturen gegen Nazi-Deutschland, die Trier von England aus u.a. in „Die Zeitung“, „The Pen is Mightier“, „Jesters in Earnest“ veröffentlichte, zeigen die ungeschminkte Realität des „arischen“ Wahnsinns und seiner mörderischen Folgen in bitterem Sarkasmus und ätzendem Humor.
 
Im Jahr 2006 für eine große Walter Trier Retrospektive als begleitender Katalog konzipiert, hat sich „Walter Trier – Politik, Kunst, Reklame“ von Antje Neuner-Warthorst schnell als aktuelles und künftiges Standardwerk zu Leben und Werk des einzigartigen Zeichners erwiesen. Leider fehlt ein Index, was das Nachschlagen in dem ansonsten mustergültigen Buch etwas schwierig macht.

 
Antje Neuner-Warthorst – „Walter Trier - Politik, Kunst, Reklame“
Ausstellungskatalog der Trier-Retrospektive im Wilhelm-Busch-Museum in Hannover als Buchausgabe - Für Kinder und Erwachsene
© 2006 Atrium Verlag / Wilhelm-Busch-Gesellschaft e.V., 236 Seiten, Ganzleinen mit Fadenheftung und Schutzumschlag, mehr als 290 Abbildungen, darunter zahlreiche bislang verschollen geglaubte Originale, 24,4 x 35 cm  -  ISBN: 3-85535-993-8
39,- €,  SFR 52,90 · EUA 40,10


o.J. Abel & Müller, Leipzig - Archiv Musenblätter



1933 Verlag Friedrich Andreas Perthes, Stuttgart - Archiv Musenblätter


 
1957 Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur, München - Archiv Musenblätter
 
Weitere Informationen: www.atrium-verlag.com


 
  © 1921 Manoli Zigaretten