Wider bestehende Tabus

Kristoffer Keudel inszeniert "Harold und Maude" in Hof

von Alexander Hauer

Harold und Maude
Komödie von Colin Higgins

Gastspiel des Theater Hof in Bayreuth, 20.11.2013


Regie: Kristoffer Keudel - Ausstattung: Beata Kornatowska – Bilder: SFF Fotodesign Hof
Besetzung: Florian Bänsch (Harold) - Angelika Koppmann (Maude)

Für meine Generation war Harold und Maude von Hal Ashby der Kultfilm der 70er. Er traf den Zeitgeist, die Musik von Cat Stevens, der sich damals noch nicht dem radikalen Islamismus zugewandt hatte, tat ihr übriges. Ruth Gordon war die ideale Darstellerin dieser abgeklärten, vielleicht auch verrückten Maude. Das ist die Marke an der sich jede Schauspielerin abarbeiten muß, die diese Rolle übernimmt.
Es reichen drei Kisten…
Kristoffer Keudel hat mit Angelika Koppmann eine Darstellerin gefunden, die einem Ruth Gordon vergessen läßt. Und sie dominiert jede Szene, egal ob sie Maude, Harolds Mutter, eine der Internetbräute oder den Psychiater gibt. Nun ist Angelika Koppmann eine ausgebuffte Schauspielerin mit jahrelanger Erfahrung und so tut sich Florian Bänsch schwer, etwas dagegen zu setzen, was nicht heißen soll, daß er etwa schlecht ist.
Beata Kornatowska schafft mit ihrer minimalistischen Ausstattung, eben jene drei weiße Kisten, dunkler Grundkleidung für die Darsteller, die durch kontrastierende Versatzstücke in Weiß andere Figuren schaffen, einen Freiraum für die Fantasie des Zuschauers. Offene Umbauten und Umzüge lassen keine Zweifel daran aufkommen, daß man ein Theaterstück sieht, Kristoffer Keudel will auch keine Variation des Films zeigen, sondern ein eigenständiges intensives Schauspiel. Schafft er in den Szenen von Harold und Maude eine wahre Nähe, vom ersten Kennenlernen bei einer Trauerfeier, bei der die quirlige Maude den scheuen Harold zu knacken beginnt, bei
weiteren Treffen, wo die Lehrmeisterin im Unterrichtsfach Leben, große Fortschritte bei dem verstockten Jugendlichen erreicht, bis hin zum, naja, tragischen Ende, so sind alle Nebenfiguren plakativ und oberflächlich gezeichnet. Angelika Koppmanns Mutter gerät zur schrillen egozentrischen Zicke, die Internetbräute, von beiden Darstellern gespielt, sind kleine schauspielerische Schmankerl. Die Harakiriszene zwischen der „Romeo und Julia“ zitierenden Miss Sunshine und dem „toten“ Harold, ein wahres Meisterwerk der Komik.
 
Wider bestehende Tabus

Neben der romantisch-sexuell geprägten Mai-Dezemberliebe in, auch heute noch, ungewöhnlicher Konstellation hat das Stück noch eine weitere Botschaft, den selbstgewählten Freitod. Erfährt man im Film mehr vom Leben Maudes, läßt Kristoffer Keudel sein Publikum darüber im Unklaren, einzig erfährt man, daß sie mit ihrem Mann politisch aktiv war und auf der Straße demonstriert hat. In mehreren Szenen deutet Maude ihren Freitod an, diese Botschaften werden aber von Harold nicht verstanden. So versteht er auch nicht warum sich Maude an einem runden Geburtstag, wir erfahren nicht welchen, aus dem Leben geht. Aber das kurze Zusammensein mit dieser lebenslustigen und todesbewußten Frau hat ihn besser auf ein weiteres Leben vorbereitet, als die Erziehung, die er vorher genossen hat. Harold geht in ein neues Leben.
Mit seiner „Harold und Maude“-Inszenierung gelingt Kristoffer Keudel, zusammen mit seinen Protagonisten Angelika Koppmann und Florian Bänsch, ein humorvoller Blick auf bestehende Tabus in unserer Gesellschafft. Und das tut in dieser trüben Zeit sehr gut.

Weitere Informationen:
www.theater-hof.com

Redaktion: Frank Becker