Fleischlose Kost

Rosamunde Pilchers Erfolgsroman „Die Muschelsucher“ als blutleeres Bühnenstück

von Frank Becker

Fleischlose Kost
 
Rosamunde Pilchers Erfolgsroman „Die Muschelsucher“ als blutleeres Bühnenstück
 
Am vergangenen Sonntag gastierte das Landestheater Burghofbühne Dinslaken im Remscheider Teo Otto Theater vor spärlich besetztem Haus mit Rosamunde Pilchers „Die Muschelsucher“. Der Programmzettel verriet Erstaunliches, ja Unglaubliches: seit gut vier Jahren tourt das  Theater mit der Bühnenfassung von Terence Brady und Charlotte Bingham nun schon in dieser Inszenierung von Lars Helmer. Vier Jahre mit dem vielleicht langweiligsten, blutleersten Stück, das eine Bühne seit der Jahrtausendwende gesehen hat.
Das war sicher der Grund dafür, daß mir, immer tiefer in den Theatersessel einsinkend, unentwegt Hannes Waders wunderbares Lied Langeweile“ (ist ausgebrochen in der Stadt, kommt angekrochen und sie hat keine Eile) aus dem Jahr 1972 durch den Kopf ging, aber auch Anlaß für eine Zuschauerin, nach 45 von insgesamt 150 (gefühlten 250) Minuten zum allgemeinen Amüsement hörbar in Morpheus´ Arme zu sinken. Mrs. Pilcher würde sich im Grabe gewälzt haben, wenn sie denn tot wäre. Ist sie jedoch nicht und es sind weitere Romane von ihr zu befürchten.
 
Um Liebe und Tod geht es in diesem Stück/Roman, um Familien- und Weltgeschichte, um Erbstreit und den wirklichen Wert der Dinge. Es ist, sagen wir es offen, purer Kitsch mit den Verwicklungen eines Heftromans, dessen Anspruch „Literatur“ zu sein vielleicht für eine hochkarätig besetzte ZDF-Verfilmung reicht (so geschehen Anfang 2006 mit Vanessa Redgrave, Maximilian Schell u.a.), auf einer Bühne aber so jedenfalls nichts zu suchen hat. Zumal, wenn es sich um eine so ideen- und lieblos zusammengeschusterte öde Bühne handelt wie in diesem Fall die von Vinzenz Gertler. Im Verein mit Gertler ist es Lars Helmer gründlich gelungen, in den  überlappenden Zeitblenden – heute, gestern, vorgestern - jedem Ansatz von Imagination den Garaus zu machen.
Musikeinspielungen, die Zeitkolorit wiedergeben sollen, wirken eher als Ballast, überlagern teilweise das gesprochene Wort, Carsten Caniglia turnt als Noel so zusammenhanglos wie sinnfrei und peinlich zu Phil Collins, und selten hat jemand so pathetisch, fast lächerlich den Bühnentod erlitten wie Anna Haack als Penelope Keeling. Schlimmer geht´s nimmer. Das Ganze hinterließ den faden Geschmack einer grotesken Parodie auf die erwähnten Groschenromane, in der nur Christiane Wilke als hysterische Nancy und Tina-Nicole Kaiser als ausgeglichene Olivia einigermaßen ernst zu nehmen waren. Umso schlimmer, daß es nicht mal eine Parodie war. Pilcher wird eben auch auf der Bühne nicht besser.
 
Am Ende bleibt nur das beliebte Zitat aus Brechts „Der gute Mensch von Sezuan“: „Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen / Den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Wir geben Stück und Inszenierung unseren Musenblattschuß.
 
Weitere Informationen: www.burghofbuehne-dinslaken.de/