Das Chanson abermals neu erfunden!

Pigor singt – Benedikt Eichhorn muß begleiten - Volumen 4

von Frank Becker

Pigor und Eichhorn haben das Chanson
abermals neu erfunden

Zwar heißt es auch auf „Volumen 4“ immer noch: „Pigor singt – Benedikt Eichhorn muss begleiten“, doch der Ulf lauert mit allerlei Gerätschaften der Unterhaltungselektronik und diversen Zupfinstrumenten im Hintergrund, und Eichhorn darf auch (einmal) singen. Anno 1995/96 haben Pigor und Eichorn das Chanson neu erfunden und den Beweis im fahrenden „club existentialiste“ aufgezeichnet. Damals hatten sie Nadja und Jaqueline. Heute haben sie den Ulf. Der hat sich spätestens seit 2002 und dem Album „Pigor und die Pigoretten“ völlig unentbehrlich gemacht und mischt sich nun dauernd ein. Pigor und Eichhorn nehmen das hin. Weil sie ihn brauchen.

Pigors anscheinend unbegrenzte Kreativität bei der Suche nach delikaten Details des täglichen Irrsinns und seinen vordergründig normalen Erscheinungsformen zeichnet auch „Volumen 4“ mit seinen 14 Titeln aus. Eichhorn hat es sich nicht nehmen lassen, auch für dieses Album und Pigors typischen Sprechgesang wieder kongenial die Musik zu schreiben. Es ist – und darum bin ich auch für das Booklet mit allen Texten dankbar – mal wieder ein schönes Stück literarisches Kabarett (oder kabarettistische Literatur) mit intelligenten Texten und feinen Tönen. Pigors Hassballade auf die Wurstverkäuferin, seine Manifestation der Feststellung, dass sich die Geländer von Rolltreppen schneller bewegen als die Stufen und die unmissverständliche Weigerung, bei einem Umzug zu helfen, kann wohl jeder nachvollziehen. Da singt Pigor Allgemeingut.

Die herrlich dekadente Boheme-Samba „Verrucht“ im Stil Fritz Brauses hätten Buddy Deppenschmidt und Charlie Byrd auch nicht besser hinbekommen und die Forderung nach einem neuen Lärmschutzgesetz unterschreibe ich sofort. Das Lachen über „Historische Vergleiche (mit dem Dritten Reich)“ schmerzt und enthält mehr Zündstoff, vor allem Wahrheit, als manche Bundestagsrede, sowie die Bitternis, die Pigor und Eichhorn ihren Gästen nie ersparen, auch nicht in „Petra K.“. „Wir sind Pigor und Eichhorn: die SS der deutschen Kleinkunst!“, relativieren sie flugs: „Wir sind zu weit gegangen! (...) Wir haben kokettiert mit dem Tabu-Bruch! (...) Es wäre besser, wir hätten geschwiegen!“ Oh nein – weitermachen, politisch unkorrekt bleiben und alles in Grund und Boden heideggern!

Beispielbild

Pigor singt – Eichorn muß begleiten

Volumen 4


Pigor  -  Gesang
Eichhorn  - Klavier, Gesang
Ulf Henrich  - Studiosounds, Gitarre, Baß, Gesang, Arr.
Harald Thiemann  -  Schlagzeug
Torsten Puls  -  Gitarre
Martin Lillich  -  Baß
Gäste

© + (P) 2004 tacheles/ROOF Music
RD2433224


Titel:

1. Umzug 2:58
2. Hypochondrie 5:01
3. Amerikaner 2:58
4. Quatsch 2:19
5. Petra K. 4:24
6. Lärmschutzgesetz 3:35
7. Hauptbahnhof 3:27
8. Gehen bevor es hell wird 5:11
9. Historische Vergleiche 6:32
10. Verrucht 4:08
11. Wurstverkäuferin 2:21
12. Fliegen 3:30
13. Rolltreppengeländer 1:42
14. Rheinländer 2:57

Total: 52:39

Weitere Informationen unter:
www.roofmusic.de
www.pigor.de