Der unpeinliche Herr Klopp

von Fritz Eckenga

Foto © Frank Becker
Der unpeinliche Herr Klopp
 
Es ist kein origineller Einfall, sich lobend über den Dortmunder Fußball-Trainer Jürgen Klopp zu äußern. Daß er seine Arbeit prima erledigt, beweist das anhaltend erfolgreiche, vor allem aber erfreuliche Spiel seiner Mannschaft. Darüber noch weitere Worte zu verlieren, ist Platzverschwendung.
Was ich als lebenslänglicher und deswegen auch durch viele tiefe Trainertäler gekrochener BVB-Anhänger an Klopp schätze, ist sein souveränes und stets unpeinliches Auftreten neben den Fußballplätzen. Die Fütterung der Medienmäuler mit sogenannten Informationen gehört zum Berufsbild des modernen Übungsleiters. Als Fernsehkonsument kann man sogar den Eindruck gewinnen, daß diese Aufgabe den Trainer zeitlich mehr beansprucht als die, für die er eigentlich zuständig ist. Könnte der Mensch sich von Mikrofonpuscheln ernähren, Jürgen Klopp müsste nur ab und zu mal willkürlich in seine engere Umgebung beißen. Irgendeinen Fetzen mit buntem Senderaufdruck hätte er immer zwischen den Zähnen. 
Das ununterbrochene Bedienen der Pressevertreter, vor allem derjenigen, die auf schnell verwertbare Originaltöne und Bilder aus sind, führt bei vielen Trainern zu nachvollziehbaren Abstoßungsreaktionen. Wer immerzu auf die ohne vorherigen Gedankengang gestellte Frage antworten soll, was er in der soundsovielten Minute dachte, als das vorentscheidende Tor fiel, als der Treffer nicht gegeben wurde, als der Assistent die Fahne nicht hob, als der Sack Kalk auf dem Elfmeterpunkt umkippte, der entwickelt Notwehrstrategien. Mit einer Mischung aus kaum verhohlener Verachtung und latenter Gewaltbereitschaft hielt sich Bayerns van Gaal die Meute vom Hals. Unbeeindruckt von realen Ereignissen monologisiert sich Felix Magath eine sehr erstaunliche Wirklichkeit zusammen. Der leidgeprüfte Thomas Schaaf ist mittlerweile in der Lage, durch hermetisch geschlossene Lippen zu sprechen.
Jürgen Klopp wurde seit Oktober 2010 mit der notorischen Frage belästigt, ob der Gewinn der Deutschen Meisterschaft im Mai 2011 ein Thema sei, mit dem er sich beschäftige. Der Dortmunder Trainer meisterte diese biblische Prüfung mit bewundernswerter Gelassenheit. Die einfache Antwort „Nein“ ohne sichtbaren Verlust von Lebensfreude und in scheinbar unendlicher Vielfalt zu variieren, ist eine so große Leistung, daß es dafür nur einen Titel geben kann, den des Deutschen Meisters. 
 
 
 
©  Fritz Eckenga
Aus: „Alle Zeitfenster auf Kippe“, Edition TIAMAT, 2011