Barcelona

von Konrad Beikircher

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Barcelona
 
 „Zwei rote Lippen und ein roter Tarragona,
das ist das Schönste in Barcelona“
Juan Llossas hat das gespielt, der Tango König der Zwanziger- Dreißiger-Jahre in Deutschland, dessen Musik einem immer noch ein Wohlgefühl schenkt wie ein Glas Cava, wenn es denn ein guter ist. Mein erster Urlaub war 1972, ich fuhr mit einem Simca 1100 quer durch Frankreich, erlag in Figueras (bei meiner ersten Übernachtung in Spanien) den üblichen Verwechslungen von italienisch und spanisch indem ich zum Frühstück „burro“, Butter, bestellte und vom Kellner belehrt wurde „no senor, manteca“, weil burro Esel und nur manteca Butter heißt, ich wollte weiter nach Andalusien um eine Gitarre zu kaufen (dabei wären in Barcelona die Herren Ramirez gewesen, mit die größten Gitarrenbauer aller Zeiten!) und mußte dazu durch Barcelona. Ich kannte Mailand, Florenz, München. Was aber auf der Avenida del Generalissimo los war, kannte ich nicht. Gegen das, was ich da sah, waren diese drei Städte Provinzkäffer. Plötzlich weitete sich die Straße (Umgehungen gabs damals nicht) zu einem 12-spurigen Kunstwerk, auf dem die Seats Ballett tanzten. Es war das größte Auto-Vergnügen, das ich je hatte, gegen das auch das Spur-Wechseln auf der Place de la Concorde ein Seifenkistenrennen ist. Es war gigantisch. Die Luft flimmerte vor erotisierenden Abgasen, alles war in Spannung, alles vibrierte, alle hatten das Fenster auf der Fahrerseite auf und gestikulierten, zeigten dahin, wohin sie wollten, ließen vor, hielten zurück, zeigten den Vogel, winkten, beschwichtigten, machten Tempo oder drosselten. So muß sich ein Hering mitten im Schwarm fühlen: stark, schnell, sicher, intelligent, mit einem Wort: grandios! Ich bin immer gern Auto gefahren, aber was ich damals in Barcelona erlebte, war nicht nur das Größte, es war Liebe, es war Sex, es war Wahnsinn. Später erst interessierte mich die Stadt, die Bauten, das Catalan, die Küche. Für mich bleibt Barcelona verbunden mit Benzin, Verkehrswahnsinn und einem Lustgefühl, das ich nicht beschreiben kann.


© Konrad Beikircher