Der Mut, uncool zu sein

Harry Luck - „Wie spießig ist das denn?“

von Anja Carolina Siebel

Der Mut, uncool zu sein
 
Der Remscheider Harry Luck hat ein Buch über das Glück geschrieben, ein Spießer zu sein.
 
„Mit Spießigkeit meine ich nicht Borniertheit oder
Kleinkariertheit.“
Harry Luck, Autor
 
Irgendwie beginnt das Gespräch mit Buchautor Harry Luck ziemlich unspießig, denn wir sind zehn Minuten zu spät dran.
Dann drängt sich aber sofort die Frage auf, was denn nun wirklich spießig sei. Schließlich hat der gebürtige Remscheider, der beim Remscheider General Anzeiger sein Redaktions-Volontariat absolvierte und inzwischen mit seiner Familie in Bamberg lebt, gerade ein Buch darüber geschrieben. In „Wie spießig ist das denn?“ geht es um die Existenzberechtigung von Apfelschorle, Filterkaffee und Eierlikör. Um das Selbstbewußtsein von Opelfahrern und Trägern von Kurzarmhemden. Und auch in seine Heimat führt Harry Luck den Leser. Denn ohne Regenschirm geht er bei tristem Wetter seit Jahren nicht aus dem Haus. Alte Remscheider Schule.
 
Harry Luck, der als Autor bisher überwiegend Krimis schrieb, bricht in seinem neuen Buch eine Lanze für die Spießigkeit. „Und damit meine ich nicht Kleinkariertheit, Borniertheit oder so etwas“, unterstreicht er. „Es ist viel mehr der Mut, zu Angewohnheiten und Vorlieben zu stehen, wenn die auch nicht gerade hip sind.“
So gibt er frank und frei zu, daß er lieber nach der Party zuhause einen Eierlikör trinkt und bei der Party alkoholfreies Bier. „Das ist sogar gesund“, sagt Luck. Überhaupt, da ist er sicher, leben Spießer gesünder. Sie verlassen Partys oft als erste, gehen früh schlafen, leben in einer funktionierenden Ehe und benutzen (s.o.) einen Regenschirm.
Mit seinem Buch hat Harry Luck ein Thema aufgegriffen, das mittlerweile auch in der Werbebranche angekommen ist. Bausparkassen werben etwa mit dem Begriff „spießig“. „Ich habe mich immer wieder dabei ertappt, daß es mir unangenehm war, nach Filterkaffee zu fragen, wenn andere Cappuccino tranken“, erinnert er sich. „Man wird ja auch beim Bestellen von alkoholfreiem Bier immer gefragt, ob man krank oder schwanger sei.“ Damit ist nun wohl Schluß. Denn inzwischen dürfte wohl jeder in seinem Bekanntenkreis wissen, daß Harry Luck seinen Eierlikör lieber zuhause genießt, eine gedruckte Zeitung liest und ab und zu bei Tchibo shoppt, pardon: einkauft.
 
„Natürlich ist das Buch nicht komplett autobiografisch“, räumt er ein. Und doch gebe er freilich darin viel mehr von sich preis als in seinen Krimis. Gesammelt, was eigentlich spießig ist, hat er fleißig in der Entstehungsphase des Spießer-Buchs. Im Freundes- und Familienkreis und - ganz unspießig - auch im sozialen Internet-Netzwerk Facebook. „Da gab es viele Anregungen, zu dem Thema fällt ja eigentlich fast jedem irgendwas ein“, sagt er. Und in der Tat findet sich der Leser vielleicht nicht in allen, aber doch in vielen Kapiteln wieder. Ob er nun kleingärtnert, zur Herbstzeit mit dem Laubbläser hantiert, bei Fondue oder Spieleabenden unbeschwert die Zeit genießt oder seit Jahren einen Bausparvertrag sein eigen nennt. Wenn er auch lange schon nicht mehr in Remscheid lebt, so fällt Harry Luck doch auch zu seiner Heimatstadt gleich etwas Spießiges ein: „Das alte Café Noll war immer ganz schön spießig. So mit Deckchen und Likörchen.“ Und was könnte schon spießiger sein als die gute alte Bergische Kaffeetafel? „Herrlich“, sagt Luck, wenn er an Waffeln mit Kirschen und Sahne denkt.
 
Und wenn man mal nicht aufgegessen hat, dann ist es in seinen Augen nicht einmal unschick, sich die Reste einpacken zu lassen „für den Hund“. Am Ende der kurzweiligen Lektüre ist wohl jeder Leser überzeugt: Uncool sein kann manchmal richtig cool sein.
 
Harry Luck - „Wie spießig ist das denn?“
2013 Blanvalet Taschenbuch Verlag, 256 Seiten
8,99 Euro.
 
Zur Person:
Harry Luck - Der heute 41-Jährige wurde in Remscheid geboren. Er studierte Politikwissenschaften in München und arbeitete nach journalistischer Ausbildung beim RGA als Nachrichtenredakteur und politischer Korrespondent in München und Berlin. Heute lebt und schreibt Harry Luck im süddeutschen Bamberg. Zu seiner bergischen Heimat im Allgemeinen und Remscheid im Speziellen fühlt er sich aber immer noch hingezogen
Mit Krimis wie „Der Isarbulle“ aus dem Jahr 2003, „Wies'nfeuer“ (2005), Das Lächeln der Landrätin"
(2008) „Lachen und Schießen“ (2011) ,
Schwarzgeld (2011) oder „Kreuther Komplott“ (2012) machte er sich bereits einen guten Namen.
 
Weitere Informationen: www.randomhouse.de/

Redaktion: Frank Becker