Betrachtungen eines Gläubigen

Frido Mann - „Das Versagen der Religion“

von Jürgen Kasten

Frido Mann - Foto © Jürgen Kasten
Betrachtungen eines Gläubigen
 
Frido Mann – „Das Versagen der Religion“
 
Er macht den Eindruck eines in sich ruhenden Mannes, lauscht der Musik und sagt anschließend, daß er immer wieder ergriffen sei, wenn er dies höre, so wie damals, als er live dabei gewesen ist. Frido Mann meinte das legendäre Ramallah Konzert des „West-Eastern Divan Orchestra“, das Beethoven spielte, gemeinsam interpretiert von jungen Palästinensern und Israelis. Daniel Barenboim will das von ihm gegründete Projekt als Friedensmission verstanden wissen, die Grenzen der Kulturen und Religionen überschreitend.
Prof. Dr. Frido Mann stellt seinen bewegenden Konzertbericht als „Vorspiel“ seinem neuesten Buch „Das Versagen der Religion“ voran, aus dem er im Katholischen Stadthaus am Laurentiusplatz in Wuppertal Ausschnitte las und sich Fragen des Moderators Matel Chihaia, Professor für Romanische Literaturwissenschaft an der Bergischen Universität stellte, jeweils unterbrochen von Einspielungen des Konzerts.
 
Frido Mann, 1940 in den USA geboren, wohin die Familie Mann sich ins Exil flüchtete, wuchs später in der Schweiz auf und lebt nun als Schriftsteller in München. Der Enkel von Thomas Mann, bezeichnet sich selbst als Weltbürger. Sein Lebenslauf zeigt einen aufregenden Werdegang. Ein in Zürich begonnenes Musikstudium schloß er Rom ab. Direkt danach wandte er sich der katholischen Theologie zu, was in seiner protestantisch geprägten Familie Befremden hervorrief. Er promovierte über Martin Luther, begann sodann ein Psychologiestudium in Münster, wo er auch lange eine Professur hatte. Mit der Religion beschäftigte sich Frido Mann weiterhin, auch und erst recht, nachdem er aus der Kirche ausgetreten war.
Der Religion blieb er als Gläubiger verbunden, nicht aber der Kirche als Institution. Mann zitierte einen längst vergessenen Satz aus einem Konzil, das 300 Jahre vor der Reformation stattfand: „Alle Aussagen über Gott sind ihm unähnlicher als ähnlich“. Das sei das Grunddilemma aller monotheistischen Religionen, die die alleinige Vorherrschaft für sich und „ihren Gott“ beanspruchen. Nicht die eigene Religion ist das einzig Wahre, vielmehr müsse sie gleichberechtigt zu allen anderen stehen, einschließlich derer, die sich zu keiner Religion bekennen. Sinnstiftung von Welt sieht Frido Mann ebenso in der gleichberechtigten Teilhabe von Kunst, Natur und Kultur. Das Versagen der Religion bei der Friedensstiftung sei letztlich auch in der patriarchalischen Herrschaftsstruktur begründet.
Alle Aussagen über Gott und den von Kirchenfürsten gesetzten Dogmen müßten neu überdacht werden, schließlich seien es nur von Menschen gemachte Metaphern, die überdies ihren Ursprung in einer Kultur und Weltanschauung haben, die weit über 2000 Jahre alt sei.
Das Umdenken müsse beim „Bodenpersonal“ anfangen, wie es ein Zuhörer formulierte, indem alte Denkstrukturen aufgebrochen werden. Frido Mann schmunzelte, es sei schwer, Pfarrer zu finden, die Ähnliches denken und danach handeln und predigen. Derzeit überlegen er und seine Frau, wieder in die Kirche einzutreten. Deshalb schauen sie sich in verschiedenen Kirchengemeinden um. Fündig seien sie noch nicht geworden.
 
Die Lesung fand im Rahmen einer Gesprächs- und Vortragsreihe statt, die unter dem Titel steht „Ungleichzeitigkeiten – Fromm sein in modernen Zeiten“. Sie wird vom Katholischen Bildungswerk getragen, in Kooperation mit der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit, der Begegnungsstätte Alte Synagoge, der Bergischen Universität und der Buchhandlung von Mackensen.
Eine letzte Veranstaltung am 04. November schließt die Reihe ab. Sylvia Löhrmann, stellvertretende
Ministerpräsidentin Nordrhein-Westfalens und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken wird zum Thema „Wie viel Religion verträgt der Staat?“ vortragen und mit den Zuhörern diskutieren.
 
Frido Mann - „Das Versagen der Religion“
2013 Kösel Verlag, 176 Seiten, gebunden, ISBN: 978-3-466-37058-0
€ 16,99
 
Weitere Informationen:
 
Redaktion: Frank Becker