Musik vom besten russischen Orchester

- und ein Ausnahme-Pianist

von Peter Bilsing

Yuri Temirkanov - Foto: Veranstalter
Musik vom besten russischen Orchester
und ein Ausnahme-Pianist
- besser geht es nicht!

Die Sankt Petersburger Philharmoniker
unter Yuri Temirkanov
Nicolai Lugansky, Klavier

Philharmonie Essen am 16.9.13
 

 
„Musik muß aus dem Herzen kommen und zu Herzen gehen“
Sergej Rachmaninow
 
Ein russischer Abend in der Essener Philharmonie, wie man ihn so schnell nicht wieder vergisst. Wenn russische Weltklasseorchester auf Tourneen Musik ihrer Heimat spielen, werden nicht nur die passenden Akzente gesetzt, sondern es werden Maßstäbe wieder gerade gerückt. Ein Erlebnis ohnegleichen - nicht nur für den Kritiker; was für ein Abend!
Die tiefe Sinnlichkeit der russischen Seele vermittelt sich mit geradezu überwältigender Emotionalität. Die Petersburger Philharmonie, das älteste russische Traditions-Orchester und eines der besten, vielleicht sogar das beste, bot geradezu traumhaft sowohl Schostakowitschs Zehnte, als auch das allseits (nach Tschaikowskys Nr.1) so beliebte zweite Klavierkonzert von Sergej Rachmaninow. Orchesterkultur vom Feinsten – Musik aus quasi himmlischen Gefilden.
 
Die St. Petersburger Philharmoniker sind das russische Orchester mit der längsten und ereignisreichsten Geschichte. Gegründet wurden die Philharmoniker im Jahr 1882, später erhielten sie den Namen „Kaiserliches Hoforchester“. Die Verstaatlichung durch die Oktoberrevolution 1917 machte dem feudalistischen Glanz ein Ende, aus dem Hoforchester wurde das staatliche Symphonieorchester, später (ab 1924) die Leningrader Philharmonie.
Mit dem legendären Jewgeni Mrawinski begann ab 1938 das Goldene Zeitalter dieses großen Klangkörpers, er errang Weltruhm. Nach dem Tod Mrawinskis übernahm 1988 Yuri Temirkanov den Chefposten, er hat ihn bis heute inne. Dirigenten wie Alexander Glazunow, Serge Koussevitsky, Bruno Walter – aber auch Otto Klemperer und Hans Knappertsbusch zieren dessen Ehren- und Ahnentafel.
Was Schostakowitschs Musik bedeutet, muß jeder selber erfahren und für sich entscheiden - viel hilft dabei auch die biographische Auseinandersetzung mit dem Leben des großen Komponisten, der bis 1953 (Tod Stalins) immer sein kleines Köfferchen vor dem Bett stehen hatte und stets darauf wartet, daß die Schergen Stalins ihn in der Nacht abholten. Sein Gesicht spricht Bände und zeigt die innere Zerrissenheit, eines Künstlers der offiziell immer anders sprechen mußte, als er empfand um sein Leben zu retten. Was er zu sagen hat, sagt er durch seine Musik. Gefährlich konkret: „Ich lehne es ab mit Verrückten ernsthaft zu sprechen... ich komponiere, und meine Musik wird aufgeführt. Man kann sie hören. Wer hören will, hört. In meiner Musik habe ich alles ausgesprochen.“
 
Besser, reifer, durchdachter und beeindruckender kann man die hochschwierige und heute recht selten aufgeführte zehnte Schostakowitsch-Sinfonie nicht spielen. Alles, was Schostakowitschs Musik ausmacht, und bedeutet, wurde an diesem Abend nachvollziehbar geboten – die Seele, des in seiner Geschichte doch so tragisch unterdrückten großen russischen Volkes, und dessen Hoffnung liegen tief ergreifend in diesem Werk vor: Jubel ohne Ende beim begeisterten Essener Publikum - auch für diesen grandiosen Dirigenten Yuri Temirkanov.

Nikolai Lugansky - Foto: Veranstalter
Eine ideale Einführung war der erste Teil mit dem großen Klaviervirtuosen und vermutlich besten Rachmaninow-Kenner und Könner, dem einstigen Tschaikowsky-Preisträger Nikolai Lugansky. Hier wurden bei Rachmaninows 2. Klavierkonzert Erinnerungen an ganz große Interpreten wie z.B. Horowitz, Ashkenazy, Gilels, Kissin oder Lupu wach. Lugansky ist ein unvergleichlicher Techniker mit hartem unverwechselbarem Anschlag, der schon bei den Auftakt-Akkorden wuchtig die Zuhörer in seinen Bann zog, um sie im Folgenden durch stupende virtuose Zauberei in geradezu atemberaubenden Läufen und traumhafter Bewältigung der Höchstschwierigkeiten zu begeistern – berechtigte „Bravi“. Als bezirzende Zugabe: Rachmaninows Etudes-tableaux, op. 33, Nr. 8, g-Moll. Finale Orchester-Zugabe: Edward Elgars Ohrwurm: Salut d’amour - die Streicher sangen unisono ihrem traumhaften Abschiedsgruß. Ein einfach wunderbarer, ganz großer Abend.   
 
 

Mit freundlicher Erlaubnis übernommen aus „Der Opernfreund“

Redaktion: Frank Becker