Lotte in Weimar - oder:

Goethe und die Paparazzi

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Lotte in Weimar
 
Wer ist künstlicher: der Autor oder seine Figuren? Was ist lebendiger: die Stadt oder ihre Geschichte? Einer wie Goethe wußte zeitlebens – ich vermute: spätestens nach den Sesenheimer Liedern – daß er nicht nur für sich lebt sondern vor allem für die Nachwelt. Was ist das wohl für ein Gefühl? So eines wie es Lady Di hatte, als sie das Ritz verließ um sich mit ihrem Freund und einem besoffenen Chauffeur auf der Peripherique um einen Pfeiler zu wickeln und das alles, ohne daß es die Öffentlichkeit erfährt? Wie wäre Goethe mit Paparazzi umgegangen? Er hätte sie genutzt, natürlich, und er hat es ja getan. Er hatte nur ein paar, Zelter war so einer, Tischbein und Eckermann auch, aber schon die hat er ausgeweidet, daß es eine Freude ist. Er hat sich an den Paparazzi gerächt, bevor es sie gegeben hat, das ist wahres Genie. Lady Di hätte von ihm lernen können, aber Goethes Gespräche mit Eckermann waren wohl nicht auf ihrem Nachttisch. Goethe hätte locker Hunderte von Paparazzi mühelos verdaut, es hätte ihn nicht angestrengt, er hätte in ihrem Blut gebadet und er hätte wie Moses die Wasser geteilt, wäre trockenen Fußes durchgeschritten ohne Schaden zu nehmen, weil er nur ein Ziel vor Augen hatte: seine eigene Ewigkeit. Und die Paparazzi hätten ihm gehuldigt, ihm gedient und wären ihm zu eigen gewesen ohne daß sie es überhaupt gemerkt hätten. Arme Lady Di, wie viel hättest Du von ihm noch lernen können! Weimar hat vom Alten gelernt, hat sich in seinen Schutz begeben und immer, wenn Gefahr drohte, schrie es: Goethe! Schiller! Und manchmal auch: Wieland (MEIN großer Wieland, mit Lichtenberg, Kleist, Heine und Jean Paul für mich der Größte!)! Und alle, alle sind vor diesen Namen in die Knie gegangen, die Russen und Honi der SED-Kastrat. Keiner hat Weimar ein Leids getan, so gerissen hat es seine Geschichte genutzt und für seine Menschen gekämpft. Wären Städte Menschen, ich würde Weimar die Ehe antragen!


In diesem Sinne!
Ihr
Konrad Beikircher
 

 ©  2013 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker