Ein Leben in Gedichten und Gesängen

Michael Zeller – „wie es anfängt : wie es endet“

von Frank Becker
Michael Zeller – „wie es anfängt : wie es endet“
Ein Leben in Gedichten und Gesängen


Der Dichter ist die Biene und der Imker
und noch dazu der Leiter vom Vertrieb
(aus: „Honig“)

Daß er ein Mann von tiefem Humor ist, der mit beiden Beinen (wenn auch nicht immer, s.u.) fest auf dem Boden des Lebens steht, wissen Michael Zellers Leser längst. Abermals belegt es sein mit heiterem Bedacht an den Anfang gestelltes Gedicht:
 
Das große Los
 
Die Nacht roch seifenweich nach Rosenblühen
und ausgespiener Gulaschsuppe
 
Das Vogelsingen dem ich lauschte war dann ein Fahrrad
das voll bremsen mußte
 
weil tiefgeschwängert von Ideen und fernwehselig
ich nach Hause zog
 
Doch als mich der Container für grünes Glas nicht sah
und fühllos rempelte
empfand ich´s an der Zeit ein Zeichen hinzusetzen
und noch im Stehen umgehend
die hier: GEDICHT!
zu bannen auf dem angeeckten Knie
zur Rache. Du, Leser, darfst sie zahlen jetzt
die Zeche dieser Nacht
 
 
So also fängt es an, das äußerlich ganz unauffällig daher kommende Buch, das Michael Zellers Lyrik „aus den letzten Jahren“* versammelt, als eine Art Zwischensumme seiner bewegten, mit offenen Augen und wachem Verstand gemachten Lebensreise. * Zwar kennen wir durch Seite 89 schon den von Zeller geahnten Schluß, die „Letzte Vorstellung“ zumindest dieser Sammlung, doch die letzten Jahre werden es ja hoffentlich nicht gewesen sein, da erwarten wir uns noch dies und das von gewohnter und bewährter Substanz. Noch zu gut sind seine Romane und Erzählungen „Granaten und Balladen“, „Die Reise nach Samosch“, „Die Sonne! Früchte. Ein Tod“, „Falschspieler“, Der Schüler Struwe oder „Die Selbstkritik von La Habana“ und seine Kolumnen und Monatsgedichte in den Musenblättern in Erinnerung.
Nun also Lyrik in gebündelter Form. In deren Netzen verfängt sich der Leser blitzschnell, kann, mag sich ihrem Zugriff nicht entziehen. Die Entdeckungsreise zur Kunst des in Worte gerinnenden Gedankens fordert, macht Vergnügen, läßt gleichzeitig viel von dem erkennen, was den Dichter umtreibt. Michael Zeller ist ein Reisender, sowohl von Land zu Land, wobei er der Bahn der Reiseform wegen den Vorzug gibt, als auch im Kopf. Im eigenen, doch auch in den Köpfen der anderen, was ihn jedoch nicht zum Eindringling, sondern, notabene, zum willkommenen Gast macht.
Die Tür zum Haus der polnischen Freunde, zu ihrem Herzen weiß er mit liebenswürdiger Anmut zu öffnen. Ja, Polen fasziniert ihn schon immer ganz besonders, die Schwelle zwischen ihrem und unserem Land und Leben nivelliert sich vor seinen klugen Worten. Weil er es versteht. Wie liebe ich seinen „Hitzeblues über Lodz“ (S. 68), wie öffnet „Durch die Blume“ (S. 47) das Herz. Neidisch möchte man werden, würde es einen nicht beim Lesen dankbar machen – und das ist dann doch das wesentlich angenehmere Gefühl. So folgen wir amüsiert der augenzwinkernden Stilveränderung auf Seite 20, erleben das konvulsivische Ziehen unter der Bauchdecke auf Seite 28 und eine Seite weiter wie auch auf Seite 42 das erstaunte der Zeit hinterher Blicken, taumeln, stürzen mit dem Falter auf Seite 59. Jetzt spüren wir auch den Einfluß Oskar Loerkes, Wilhelm Lehmanns und Karl Krolows auf die Dichtungen Michael Zellers, der ihre Naturlyrik verinnerlicht hat..
Und auch das spart Michael Zeller nicht aus: das Ende, das Fortgehen, den Tod. Bewegend die Texte, die er im Abschnitt VI seines Buches zusammengestellt hat, die das Unvermeidliche beschwören, nicht ängstlich, nein, doch auch nicht mutig. Resignation schwingt mit, auch Dankbarkeit, tiefe Trauer über das Gehen anderer, Einsicht in die barocke Vanitas-Idee – und auch hier wieder ein gewisser Schuß Humor, die Farbe ist Schwarz.
 
(…)
Den Vorhang zieht das Leben wann es will
Dir bleibt, wenn´s der Souffleur noch weiß
das letzte aller Worte aufzusagen
                         Aus
 
 
Michael Zeller – „wie es anfängt : wie es endet“ - Gedichte und Gesänge
© 2013 Universitätsverlag Brockmeyer, 92 S., Klappenbroschur, ISBN 978-3-8196-0918-3 9,90 €
 
Weitere Informationen: www.brockmeyer-verlag.de  und  www.michael-zeller.de