Kultur mit Aussicht?

Ein Kommentar

von Frank Becker

Foto © Silke Kesting
Kultur mit Aussicht?
 
Die Kultur des Bergischen Landes, zumal seiner Metropole Wuppertal ist seit einiger Zeit in heftiger Bewegung. Es durchaus nicht immer erfreulich, was da geschieht, doch zeigen junge Initiativen Positives, während Unerfreuliches ein schlechtes Licht auf die Kulturpolitik wirft. Gestatten Sie mir ein paar Streiflichter zum Gesprächsstoff der letzten Wochen aus ganz persönlicher Sicht.

Beginnen wir mit einem Ende: Man solle wenn es am schönsten sei gehen, empfiehlt der Volksmund. Die Galerie „epikur“, unter der Leitung von HP Nacke für mehr als drei Jahrzehnte ein integraler Bestandteil nicht nur der Wuppertaler Gesellschaft, offen auch für experimentelles Theater, Musik und exzellente Gesprächsrunden, hat ihre Tätigkeit eingestellt. Die Kunstwelt weit über den Bergischen Raum hinweg hat von dort aus Energie bezogen, die fortwirken wird. Nach glanzvollen Jahren an der Friedrich-Engels-Allee und zuletzt dem eleganten Quartier an der Friedrich-Ebert-Straße zog Hans-Peter Nacke mit einer artigen Verbeugung den Schlußstrich.
Nicht fortwirken wird das Wuppertaler Schauspiel in seinem einzigartigen, von Gerhard Graubner 1964-66 erbauten und als Baudenkmal geschützten Haus. Das steht wie sein in den letzten Jahren dramatisch geschrumpftes Ensemble zur Disposition. Einst von Intendanten wie Arno Wüstenhöfer und Holk Freytag, zuletzt Christian von Treskow zu Bühnenglanz geführt, bekommen in seinen Mauern jetzt Moos und Schimmel, dann vielleicht die Abrißbirne das Sagen. Eine „Kleine Spielstätte“ wird mit noch weniger Personal euphemistisch als untaugliches Trostpflaster angeboten. Die Pfiffe bei der letzten Vorstellung an der Bundesallee kamen viel zu spät - und richteten sich gegen den Falschen: den vorgeschickten Kulturdezernenten Matthias Nocke. Der kann nun wirklich am wenigsten dafür.
Bestand wird auch das Wuppertaler Opernensemble nicht haben, dessen künftiger Intendant Toshiyuki Kamioka, in Personalunion auch Künstlerischer Leiter und Chefdirigent des Sinfonieorchesters Wuppertal, zugleich GMD des Saarländischen Staatstheaters und Professor für Dirigieren an der Musikhochschule Saarbrücken, zur Übernahme seines Amtes erst einmal alle Verträge gekündigt hat. Was die Sache besonders ärgerlich macht: über Gastspielverträge dürfen die Gefeuerten wieder in Wuppertal singen. Eine perfide künstlerische Variante der Zeitarbeit. Perfekt für den Etat des Kämmerers. Man merkt wie beim Schauspiel die Absicht - und man ist verstimmt.

Angenehmeres aus der Musikwelt hört man aus Remscheid-Solingen. Das gemeinsame Orchester „Bergische Symphoniker“ der beiden Städte ist vorläufig gerettet. Es wäre auch ein Jammer um diesen schönen Klangkörper unter seinem eloquenten Leiter Peter Kuhn gewesen. Und daß die Kultur durch junge Initiativen in der Galerienszene, Oliver Bricks „Kontakthof“ in der Elberfelder Genügsamkeitsstraße, durch hervorragende Bühnen wie das TiC-Theater in Cronenberg und das TalTonTheater in der Wiesenstraße sowie durch Reintraut Schmidt-Wiens Förderarbeit im Lenneper Rotationstheater höchst lebendige Impulse bekommt, gehört auch zu den erfreulichen Nachrichten. Da kann man über den Streit um des Kaisers gezwirbelten Bart am Elberfelder Rathaus (die Agnes-Miegel-Straße gibt es übrigens noch immer) nur schmunzeln.
 
Hat das kulturelle Leben unsrer Region Aussichten? Aber gewiß!
 
Ihr
Frank Becker
 
 
Dieser Kommentar ist in geringfügig anderer Form auch als Editorial in der aktuellen Ausgabe
der Kulturzeitschrift „Die Beste Zeit“ (Nr. 22) zu lesen: www.diebestezeit.net