Homunculus und homerisches Gelächter

Gratwanderungen zwischen Grauen und Humor in der Städtischen Galerie Remscheid

von Frank Becker

Peter Land, Springtime - Foto © Frank Becker
Homunculus
und
homerisches Gelächter
 
Gratwanderungen
zwischen Grauen und Humor
in der Städtischen Galerie Remscheid
 
 
Remscheid. Zwei Flügel der Städtischen Galerie, zwei völlig unterschiedliche Œuvres. Seit dem vergangenen Samstag und noch bis zum 15. September stellen der Däne Peter Land und der Iraner Peyman Rahimi dort ihre Arbeiten aus. Woran nun kann man den Unterschied zwischen den beiden Künstlern festmachen? Haben sie gar Gemeinsames? Geben erkennbare Vorbilder oder Methoden Hinweise? Nähern wir uns den Bildern, Skulpturen, Objekten, Videos mit dem Blick auf mögliche Einflüsse.
 
Die scheinen bei dem am Frankfurter Städel-Institut ausgebildeten Peyman Rahimi (*1977 in Teheran) mehr als deutlich zu sein, stößt man doch schon in den ersten (verdunkelten) Ausstellungsräumen auf Motive, die uns aus Goethes „Faust II“ oder Mary Shelleys „Frankenstein“ anspringen, sich überdeutlich an Hieronymus Bosch und dessen Höllenwelten anlehnen: in Mischtechniken auf Textil gedruckte und gemalte Tableaus verstümmelter, zerlegter Menschen, düstere Anordnungen chemischer Kolben mit in Harz eingegossenen tierischen Objekten, deren Füße und Krallen im Raum drapiert sind. Doch kennt Rahimi den „Faust“, den Homunculus nicht einmal. Die Alchemie, die Zerstörung und Neuerschaffung des Menschen, seine Zerquälung aber faszinieren ihn, lassen ihn unentwegt düstere, morbide Nebenwelten erschaffen. Auf dem Treppenabsatz ein Lichtobjekt als Ausdruck nächtlicher Visionen, aus denen er seit der Jugend mit einem Schrei aufschreckt, im Obergeschoß die Verarbeitung grausamer historischer Strafmasken, die fotografische Verfremdung von Gesichtern a la Francis Bacon. Das alles ist kräftezehrend, bedrückend bitter und nichts für empfindsame Gemüter.
 

Arbeiten von Peyman Rahimi - Foto © Frank Becker

Peter Land (*1966 in Aarhus) hingegen, an der Königlichen Kunstakademie Kopenhagen ausgebildet und lange in England tätig gewesen, erhebt augenzwinkernd das Scheitern als Weg zum Prinzip seiner Arbeiten. Auch bei ihm sehen wir Alpträume und in Endlosschleife fortdauernde Mißgeschicke, doch kommen hier eher Assoziationen zum Slapstick eines Buster Keaton, Jacques Tatis „Jour de Fête“ oder Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ auf. „Ich versuche die Gratwanderung zwischen subtilem Grauen und Humor“ sagt Land – und sie gelingt ihm. Bei aller Ernsthaftigkeit sind die Skulpturen eines sich hilfesuchend aus einem Steinstapel reckenden Arms (Springtime), eines mit enorm verlängerten Extremitäten im Gitterbett liegenden Mannes (der wie viele seiner Arbeiten Peter Lands Gesicht trägt) und die Videos - auch immer er selbst - eines stürzenden Radlers, vom Barhocker fallenden Entertainers, scheiternden Cellisten oder eines zur Musik von „Tannhäuser“ mit der Leiter hadernden Anstreichers urkomisch. Homerisch ist das durch Verlangsamung gruselige Endlos-Lachen Peter Lands in einer Video-Installation. Nennen wir es mit Grabbe „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“. Auch Peter Lands bitterböse von Moritz Schreber beeinflusste Zeichnungen zum „idealen Kind“ haben mit dem Hinweis auf archaische Erziehungsfehler hohen Rang. Hier läßt auch Dr. Heinrich Hoffmanns
Stuwwelpeter grüßen.


Peter Land, Joie de vivre, 1998 - Foto © Frank Becker

Zu Peter Lands Arbeiten ist im Verlag Hatje Cantz ein umfangreicher Katalog erschienen:

Peter Land – „Absolute Perfection“
– hrsg. v. Claudia Emmert & Oliver Zybok
Erste große Retrospektive mit Werkverzeichnis von Gemälden, Zeichnungen, Grafiken, Skulpturen, Objekten, Installationen und Videos
© 2013 Hatje Cantz, 255 Seiten, gebunden, mit vielen farbigen Illustrationen
35,- €
 
Weitere Informationen: www.hatjecantz.de   -  Galerie der Stadt Remscheid