Jazz-Kapriolen mit Pfiff

Sabine Kühlich & Crisp! – „fly away“

von Frank Becker

Jazz-Kapriolen mit Pfiff
 
Eine gewisse Ahnung der bisher unerreichten, wenn nicht größten deutschen Jazz-Sängerin überhaupt, Inge Brandenburg, von deren Timbre Sabine Kühlich einiges geerbt hat, gab schon ihr Debüt- Album „It Could Happen To You...“. Hatte sie sich damals (2001) ganz auf Standards aus dem American Songbook, unsterbliche Songs von Jacques Prévert, Lennon/McCartney (mit Pfiff und ein bißchen Marilyn Monroe-Kick) und Luis Bonfa verlassen und damit ein pikantes Album mit neuem Sound vorgestellt, liegt bei diesem Album das Gewicht auf komplett Eigenem in Original-Versionen. Der Schritt über den großen Teich und die Einflüsse des US- amerikanischen Jazz vor Ort in Harlem/N.Y.C. haben die neun Stücke, die Sabine Kühlich für „fly away“ geschrieben hat, geformt. Standards von Irving Berlin, Victor Young, Sarah Vaughan und Benny Harris/Charlie Parker als „Airbag“ runden das Album. Den Aufprallschutz aber braucht Sabine Kühlich mit ihrer Band „Crisp“ und der exzellenten Sheila Jordan als Gast nicht - es gibt keine Unfälle.
 
Auch bei diesem zweiten Album der schönen Kölnerin mit dem gewissen Rauch in der Stimme und dem Pfiff von Toots-gespitzten Lippen ist wieder die Grande Dame Inge Brandenburg Patin, hinzu kommt eine neue Band, und man erlaube einen weiteren Vergleich zur Verdeutlichung, etwas von der Chuzpe und dem spröden Jazz Manfred Krugs. Diese Mischung ist exklusiv und von sehr eigenem spritzigem Charakter, eine appetitliche Jazz-Cuvée sozusagen, deren Komponenten mit Augenzwinkern vor allem in Kühlichs deutschsprachigen Songs ihr raffiniertes Bukett entfalten können. „Bossa fatal“ ist so ein gelungenes Stück, das man im hübschen Booklet mitlesen kann. Rudi Engel hat als Übergang zum folgenden Stück „Vorbei“, welches das Ende der Beziehung aus „Bossa fatal“ fortschreibt, ein tolles Interlude für Kontrabaß komponiert und auch gleich selbst gefühlvoll umgesetzt. Charlie Parkers „Ornithology“ und Irving Berlins „How Deep Is The Ocean“ beflügeln nicht nur Sabine und Partnerin Sheila Jordan (*1928), mit der sie seitdem noch zwei weitere Alben aufgenommen hat, im Talk- und Scat-Duett, sondern vor allem Hubert Winter als Parker-Substitut ausnahmsweise am Tenorsaxophon.
 
Erwartet man ein poliertes Hochglanz-Studio-Jazz-Album, ist „fly away“ sicher nicht ganz das Gewünschte. Will man aber lupenreines Club-Jazz-Feeling fast wie live mit ein paar verträglichen Kanten und Graten aus den Lautsprechern swingen, boppen und grooven hören, dazu eine Sängerin, die auch mal auf den letzten Schliff verzichten kann, eine Stimme mit Kapriolen, die aus dem Rahmen fällt, ist man hier definitiv an der richtigen Adresse. Reinhören lohnt.
 
Sabine Kühlich & Crisp! – „fly away“
Sabine Kühlich (voc, whistling) - Tine Schneider (p) - Rudi Engel (b) - Bill Elgart (dr) - Hubert Winter (ts)
feat.: Sheila Jordan (voc)
 
© + (P) 2006 Acoustic Music
Produziert von Sabine Kühlich & Stefan Michalke
 
Titel:
1. Fly away  5:18 - 2. And even more  4:12 - 3. Bossa fatal  4:20 - 4. Bass-Interlude  1:54 - 5. Vorbei  6:11 - 6. Chanson de Delphine  4:45 - 7. Uptown local  5:18 - 8. Ornithology  4:41 - 9. Stella by starlight  4:49 - 10. Beautiful love  4:26 - 11. Augenblick  3:15 - 12. A little too shy  5:37 - 13. Talking in the Big Wing Wong 3:03 - 14. How deep is the ocean  8:08 - 15. Morningside Heights  5:37

Gesamtzeit: 1:11.38

Weitere Informationen unter: 
www.acoustic-music.de  -  www.sabinekuehlich.com