Der Zeichner als Erzähler (5)

“Heitere Schöpfungsgeschichte für fröhliche Erdenbürger” von Jean Effel

von Joachim Klinger

Der Zeichner als Erzähler
 
Bildbücher, die ich nicht missen möchte (5)
 
von Joachim Klinger
 

V
 
“Heitere Schöpfungsgeschichte für fröhliche Erdenbürger” von Jean Effel
(Rowohlt Verlag GmbH Reinbek bei Hamburg, 1965)
 
Jean Effel, 1908 in Paris geboren und 1982 dort verstorben, zählt zu den Großen französischer Zeichenkunst. Bei der Gestaltung seiner Bildbücher – z.B. “Der kleine Engel”, “Adam und Eva”, “Vaterfreuden” – treten Liebe, Menschenfreundlichkeit, Sanftheit und Zärtlichkeit in einem Maße zutage, daß man die Kunstgattung Karikatur mit anderen Augen zu sehen beginnt. Selten der boshafte Spott, die schonungslose Kritik, wie wir es gewohnt sind. Gibt es hier eine spezifisch französische Seite der Karikatur? Auch Raymond Peynet (wie Effel 1908 in Paris geboren) und Jean Jacques Sempé (1932 in Bordeaux geboren) verfügen über ein Zartgefühl, das uns ihre Gestalten menschlich ganz nahe bringt und vertraut macht.
 
Effels “Heitere Schöpfungsgeschichte” erwärmt die Herzen der Menschen, es sei denn sie hätten eines aus Stein. Der Titel sagt, worum es in diesem köstlichen und kostbaren Werk geht: die Erschaffung der Welt, der Pflanzen, Tiere und des Menschenpaares Adam und Eva. Bei Kurt Flemig (op. cit. S. 61) erfahren wir, daß die verfilmte Fassung vom Vatikan als “Gotteslästerliche Parodie” verdammt wurde. Das soll uns nicht kümmern!
Kurt Kusenberg, dem wir die Bekanntschaft mit so manchem großen Zeichner verdanken (z.B. Erich Ohser, Thurber, Dubout) hat in seinem Vorwort zur deutschen Ausgabe die Verteidigung eloquent und überzeugend übernommen:
 
            “freilich kann es für respektlos gelten, daß da Einer das Göttliche verweltlicht, daß er sich mit dem Lieben Gott auf du und du stellt. Doch eben das haben einst die religiösen Legenden des Volkes getan, und niemand hat Anstoß daran genommen …”
 
Der von Effel dargestellte alte Herr mit Bart und freundlichem Gesichtsausdruck ist ein Gott der Liebe,
 
            “um alles besorgt, auch ums Kleinste, und alles umsichtig vorausbedenkend”.
                                                           (Aus dem Vorwort von K. Kusenberg)
 
Aber, wie Kusenberg zutreffend feststellt, er ist auch ein “Spieler”, “eine Künstlernatur, der es nicht an Humor fehlt.”
Außerdem pfuscht ihm der bereits vorhandene Teufel (!) ins Werk, z.B. mit Kometen. Aber der Liebe Gott arbeitet unverdrossen. Detailverliebt probiert er Fellmuster für Raubtiere aus, plant manchmal langsam und genau, z.B. beim Elefanten, um dann wieder zu improvisieren (wie bei der Entstehung des Kaninchens).
 
Eine große Anzahl kindlich-hübscher Engel macht mit und mischt sich nicht immer zum Vorteil der Schöpfung ein. Und dann Adam und Eva! Unbeschreiblich! Anschauen und schmunzeln!
 
 

 
Lesen Sie am kommenden Montag an dieser Stelle Teil 6 (von insgesamt 10) der neuen Serie von Joachim Klinger