Der Perlinger-Weg ins Glück - Flirt mit dem Stier

von Sissi Perlinger

© Sissi Perlinger
Flirt mit dem Stier
 
Also, ich frag mich immer, was wohl im Kopf von einem spanischen Torero aus Pamplona vor sich ginge, wenn er zum ersten Mal vor einem freilaufenden indischen Stier stünde: Der Mann hat seine rote Tischdecke nicht dabei, mit der er sonst immer rumwedelt, macht im Geiste schon sein Testament. Das Monstrum kommt zielstrebig auf ihn zu und   geht völlig entspannt vorbei. Der Stier hat wahrscheinlich eine Verabredung. Es ist schon unglaublich zu erleben, mit was für einer Selbstverständlichkeit diese riesigen Tiere, die bei uns als gefährliche Monster eingestuft werden, in Indien völlig frei und unbehelligt  durch die engsten Straßen spazieren können, und ich habe noch nie gehört, daß irgendwas passiert wäre, außer mir natürlich. Ich hab nämlich einen Flirt mit einem jungen Stier, allerdings wirklich rein platonisch. Wir haben uns abends um zehn vor der „Nine Bar“ kennengelernt, weil er mich wegen meiner Wassermelonenschale angeschnorrt hat. Morgens hab ich ihn im Nachbardorf vor dem Supermarkt wiedergetroffen. Wir haben uns nur flüchtig gegrüßt, aber am Abend steht er um Punkt zehn Uhr wieder vor der „Nine Bar“ und kommt schnurstracks auf mich zu. Ich kann nämlich irre gut kraulen und hinter den Ohren kratzen, und er geht jedes Mal, im wahrsten Sinne des Wortes, in die Knie - vor lauter Begeisterung. Streicheln ist Eine Tür zum Glück. 
 

(Textauszug aus "Auszeit! Der Perlinger-Weg ins Glück" mit freundlicher Genehmigung des Südwest Verlages)
Weitere Informationen unter: www.sissi-perlinger.de
Redaktion: Frank Becker