Als wär´ es gestern gewesen...

Zwei Kalender aus dem Asso Verlag beschwören in sehnsüchtigen Bildern Vergangenheit

von Frank Becker

         

Blagen - Kinderjahre im Revier
Ein asso-Kalender 2008
13 Blatt (12 Monatsblätter) 40 x 40 cm mit Fotografien in Duotone aus dem Archiv
© des Ruhrlandmuseums Essen, Spiralbindung
© 2007 assoverlag Oberhausen
€ 19,90

  Mobil - Unterwegs im Revier
Ein asso-Kalender 2008
13 Blatt (12 Monatsblätter) 40 x 40 cm mit Fotografien in Duotone aus dem Archiv
© des Ruhrlandmuseums Essen, Spiralbindung
© 2007 assoverlag Oberhausen
€ 19,90

Zwei wundervolle Kalender aus dem assoverlag
bringen eine schöne Zeit zurück


"Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus welchem wir nicht getrieben werden können", schreibt Jean Paul 1793 in «Die unsichtbare Loge». Diese Erkenntnis war sicher schon damals nicht neu, er aber hat es auf den literarischen Punkt gebracht. Eine weitere, mittlerweile ebenfalls schon topisch gewordene Sentenz ist ein Werbe-Jingle des Rundfunksenders WDR 4: "Schönes bleibt...". In der Tat, Schönes bleibt uns im Archiv unserer Erinnerungen, vor dem Auge und im Ohr. Wir benötigen oft nur einen kleinen Anstoß, einen Duft, eine Melodie, ein Bild, um quasi in Cinemascope das Schöne, das wir im Herzen bewahrt haben, nicht nur wieder zu sehen - wir erleben es noch einmal.

Der Oberhausener "assoverlag" hat in Kooperation mit dem Ruhrlandmuseum Essen Fotografien aus dessen Archiv zu zwei Kalendern zusammengestellt, deren je zwölf großformatige Monatsblätter denen in Streiflichtern eine Zeit zurückbringen, die sie noch miterlebt haben, allen jüngeren Generationen ein Schatz an Information und Impression schenken, die heute eine völlig neue Zeit erleben. Ich spreche von den 30er bis 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, einer Zeit, die im verheerenden Sog der beiden Weltkriege und ihrer Folgen jeweils die individuelle Bereitschaft zum Aufbau und zum Frieden forderte. Der Mensch zählte. Die Bilder sind friedvoll, sparen Eindrücke des Dritten Reichs und des 2. Weltkrieges bewußt aus. Davon ist anderenorts reichlich geschrieben, gesagt und gezeigt worden. Das Häßliche darf auch mal ausgelassen werden. Schönes bleibt.

Überwiegend aus den 50er Jahren stammen die stimmungsvollen Duotone-Fotografien der beiden Kalender "Mobil - Unterwegs im Revier" und "Blagen - Kinderjahre im Revier", die ein Jahr lang Blatt für Blatt nachzeichnen, wie es damals war und einen Eindruck vermitteln, wie die Welt, das tägliche Leben damals zwischen Oberhausen und Hamm, Hagen und Recklinghausen, Duisburg und
Dortmund aussah. In technisch hervorragenden Aufnahmen und allerfeinstem Druck sehen wir, mit welch einfachen Mitteln und unaufwendigen Spielen und Beschäftigungen die Kinder ("Blagen...") im Revier eine heitere und durchaus glückliche Kindheit hatten. Das ging noch ohne Markenklamotten, allerneuester Unterhaltungselektronik, dem allgegenwärtigen Mobiltelefon und Alkopops. Im Schatten der Fördertürme Seilchen springen, am Fenster des Spielzeuggeschäfts die Nase plattdrücken und träumen - oder einfach nur Fratzen schneiden und lachen...ging auch. Auf dem Juli-Blatt überlegen zwei Jungen, für welche Süßigkeit aus dem Automaten sie ihren sauer ersparten Groschen opfern sollen, das Mai-Bild erinnert an die Schule, wie sie einmal war und im August, man flog in den Sommerferien nicht in die Karibik, wird auf dem Hof hinter Kühltürmen der neue Ballonroller ausprobiert.


Straßenbahnen, Omnibusse, Fahrräder waren die überwiegend genutzten Verkehrsmittel auf dem Weg zur Arbeit. Wer hatte schon ein eigenes Auto? Eindrucksvoll berichten die Bilder des Kalenders
"Mobil...", wie man damals voran kam, zeigen die noch geringe Verkehrsdichte (Parkplatz ohne Ende!) und die ersten privaten Autos. Wer keins hatte, fuhr oft noch per Anhalter - und wurde freundlich mitgenommen. Das Wort war: Solidarität. Mein Lieblingsbild ist das für den Oktober, das auch den Titel ziert: ein Ford 17 M P3  - man nannte ihn "Badewanne" - fährt in Staub und Dunst auf eine Zeche zu. Die Fördertürme, die einmal das Gesicht des Reviers geprägt haben, sind mit ihren Zechen und Kauen mittlerweile zum größten Teil verschwunden. Eine Ära ist unwiderruflich zu Ende gegangen. Der Kalender leistet Erinnerungsarbeit. Bemühen wir noch einmal die Literatur: "Erinnerung ist eine milde Göttin;| Vergangne Freuden ruft sie dir zurück,| Und selbst vergangnes Leid läßt sie erscheinen,| Verklärt im Abendrotlicht fast wie Glück" (Daniel Sanders 1892).


© Kalender: assoverlag Oberhausen  -  © Fotos: Ruhrlandmuseum Essen
Weitere Informationen unter:  www.assoverlag.de und  www.ruhrlandmuseum.de