From Bobby Sox to Stockings

Patrick Stanke inszeniert „Hairspray“ im Wuppertaler TiC-Theater

von Frank Becker

From Bobby Sox to Stockings
 
Patrick Stanke inszeniert
Hairspray
im Wuppertaler TiC-Theater
 
 
Inszenierung: Patrick Stanke – Musikalische Leitung: Stefan Hüfner – Choreographie: Dana Großmann – Ausstattung: Kerstin Faber – Maske: Heike Kehrwisch – Chortraining: Jana Konietzki - Fotos: Martin Mazur
Besetzung: (Vorstellung am 17.5.2013): Kristina Molzberger (Tracy Turnblad) – Kristof Stößel (Edna) – D. Schulz (Motormouth) – Robert Pflanze (Corny Collins / Wilbur) – Jennifer Pahlke (‚Penny Pingleton) – Isabelle Rotter (Velma / Prudy) – Christopher Geiß (Link Larkin) – Sophie Schwerter (Amber) – Tarik Dafi (Seaweed) – Kerstin Trand (Inez)
 

Seit Mitte April hat das Wuppertaler TiC-Theater ein neues Zugpferd im Programm, das herrlich

Kristina Molzberger - Foto © Martin Mazur
bunte, amüsant kitschige und köstlich klischeereiche Musical „Hairspray“ von Mark O´Donnell & Thomas Meehan mit der mitreißenden Musik von Marc Shaiman. Von Patrick Stanke (der auch schon „Hair“ im TiC zu einem Dauerbrenner gemacht hatte) perfekt besetzt, ideenreich und punktgenau inszeniert und von Dana Großmann kongenial choreographiert, präsentiert sich auf der Bühne des Ateliers Unterkirchen ein zweieinhalb Stunden ohne Längen blendend unterhaltendes Spektakel im Zeitkolorit der frühen 60er Jahre im amerikanischen Baltimore.
 
Die Geschichte
 
Die Geschichte: 1962, Baltimore ist noch stockkonservativ, die braven Bürger von Vorurteilen geprägt. Schwarze, Unterschicht und Einwanderer haben es schwer. Traum aller Mädchen von Baltimore und vor allem der Patterson Park High School ist, einmal in der Corny Collins Show des regionalen TV-Senders zu tanzen und an der Seite des angeschwärmten Pop-Sängers Link Larkin (überzeugend: Christopher Geiß) zu stehen. Dessen augenblickliche Favoritin ist Amber, Teenage Queen der Patterson High, blond, schlank, hübsch und verdammt zickig (brillant Sophie Schwerter in einer schwierigsten Rollen des Stücks). Da hat wohl ein übergewichtiges Pummelchen wir Tracy Turnblad (perfekt und für die Rolle wie „gebacken“: Kristina Molzberger) keine Chance. Doch weil sie Selbstbewußsein und Chuzpe hat, nimmt sie den Kampf gegen die Intimfeindin und das Establishment auf, um zu beweisen, daß alle gleich sind und die selben Chancen verdienen, zur „Miss Teenage Hairspray“ 1962 gekürt zu werden. Diese Krone nämlich ist mit dem Abschneiden beim Tanzwettbewerb verbunden. An Tracys Seite ihre Freundin Penny Pingleton (zauberhaft und für mich neben Sophie Schwerter heimlicher Star der Inszenierung: Jennifer Pahlke), der von ihr angeschwärmte Seaweed (Tarik Dafi) und seine Adoptivschwester Inez (Kerstin Trand).
 
Songs und Charaktere
 

Jennifer Pahlke, Tarik Dafi - Foto © Martin Mazur
Aber auch andere, recht kuriose Charaktere bevölkern die Szene. Da sind Tracys Eltern Edna (handfest: Kristof Stößel) und Wilbur (Robert Pflanze), liebenswert bodenständig, doch für das Wohl der Tochter auch kampfbereit, Seaweeds Adoptiv-Mutter/Vater Motormouth (D. Schulz) und der Showmaster Corny Collins (sympathisch und charismatisch: Robert Pflanze). Mit viel Musik, echten, deutsch gesungenen Ohrwürmern („Good Morning Baltimore“, „Mama, ich bin nicht mehr klein“, „The Madison“, „It Takes Two“, „Breit, Blond und Beautiful“, „Ohne Dich“, „Niemand stoppt den Beat“) und im Geiste der 60er hervorragend mit Twist und Madison, Blues choreographiert ist „Hairspray“ in dieser (und vermutlich auch in anderer TiC-Besetzung) ein einziges Vergnügen für Ohren und Augen. Letzteres betrifft auch die phantastische Kostüm-Ausstattung (Bobby Sox, High School Blousons, Pennys und Tracys Karo-Röcke, Links schmale Krawatten und Revers, Ambers Petticoat und wundervolles Blumenkleid) und die Frisuren, mit denen Kerstin Faber und Heike Kehrwisch Zeit- und Lokalkolorit vom toupierten Scheitel und der Schmalztolle bis zu den spitzen Schuhen und den wenigen Versatzstücken auf der Bühne akkurat auf den Punkt gebracht haben. Im Übrigen wird durch Projektionen wirksam der Hintergrund gezeichnet und manch aufwendiger Umbau gespart. So bleiben Schwung und Tempo erhalten.
 
Spitzen-Leistungen

Sophie Schwerter, dahinter Christopher Geiß
Foto © Martin Mazur
 
Die durchaus großartige Leistung der professionell geleiteten Laiendarsteller ist bewundernswert, sie zeigen größtenteils fast durchweg untadelig Profi-Qualitäten: Unerhörtes Gesangstalent, voluminöse Stimme und ihre positive Rolle – das Publikum steht geschlossen hinter ihr – machen es der begabten Kristina Molzberger leicht, die Sympathien auf sich zu ziehen. Sophie Schwerter versteht es hingegen mit schauspielerischer Raffinesse, aus der negativ besetzten Rolle der Amber dramatisches Kapital zu schlagen, das zickig dumme Blondchen glaubhaft zu machen. Jennifer Pahlke hält ihre sympathische Penny bis zum Showdown und dem Wechsel von den Söckchen zu Seidenstrümpfen dezent im Hintergrund (man ahnt jedoch schon früh ihre Entwicklung und denkt stets an Frankie Avalons „When A Girl Changes From Bobby Sox To Stockings“), Christopher Geiß, ein Typ zwischen Johnny Tillotson („Poetry In Motion“) und Jimmy Clanton (Venus In Blue Jeans) angelegt, verkörpert nachvollziehbar den trotz Teenager-Schwärmereien unsicheren Jungen, der sich zwischen Karriere und Überzeugung hin- und hergerissen sieht, Isabelle Rotter nimmt man die Über-Mutter Ambers ab und Robert Pflanze glaubt man seinen Corny Collins, den engagierten TV-Moderator der 60er gern.
Sympathie ernten am Ende natürlich alle der bis in die gesprayten Hair-Spitzen motivierten Darsteller. Ein Riesenvergnügen und nicht warm genug zu empfehlen. Rechtzeitige Kartenbestellungen empfehlen sich dringend.



Weitere Informationen: www.tic-theater.de


v.l.: Sophie Schwerter, Dimitri Wassiliadis, Isabelle Rotter - Foto © Martin Mazur