Bach mit Aspirin – warum nicht?

von Konrad Beikircher

Foto © Frank Becker
Bach mit Aspirin
– warum nicht?
 
Ahh, jetzt begreife ich langsam die Angst des deutschen Klassik-Freundes vor dem Sponsoring. Er sieht vor seinem geistigen Auge folgendes Horror-Szenario: Sir Simon Rattle jumpt im blauen Vettel-Red-Bull-Overall auf das Dirigentenpult, bleibt Aug in Aug mit dem Publikum stehen, damit auch jeder die restlichen Aufkleber entziffern kann, dann dreht er sich elastisch und voller Spannkraft um, zeigt dem Volk den Rücken, auf dem das EON-Logo prangt - und fängt an zu dirigieren. Natürlich sehen die Pauken aus wie Ariel-Eimer (und klingen vielleicht auch so!), die Kontrabässe wie lila Kühe und die Fagotte wie eine Bierzapfanlage von König-Pils. Die Berliner Philharmoniker tragen Fräcke, von denen der Wüstenrot-Fuchs lacht und die Lackschuhe sind von Adidas, Nike oder Puma, je nach Sponsorenvertrag. Daß die Neunte von Beethoven dahingehend modifiziert wurde, daß lt. Vertrag alle 50 Takte das Telekom-Motiv erklingt, versteht sich genau so von selbst wie die Tatsache, daß man mit den Eintrittskarten auch telefonieren kann, sind sie doch von Nokia.

So oder so ähnlich müssen die Alpträume der hehren Klassik-Fans wohl aussehen, wenn sie stillschweigend von Stadt, Land und Bund verlangen, daß weiterhin in bekannter Größe jedes Orchester, jede Oper und überhaupt alles, was mit ‚Hoch-Kultur‘ zu tun hat, bezahlt werden soll. Irgendwann werden wir dann bei 1.000 € Subventionen pro Sitzplatz gelandet sein, weil die Abonnenten ausgestorben sind und alles nur noch vor leeren Plätzen gespielt wird. Nix gegen staatliche Subvention der Kultur. Aber die Grenzen sind ja abzusehen und das muß nicht gleich die Katastrophe sein. Die Veranstalter und Kulturmanager sind ja schon länger dem Gedanken des Sponsoring nicht abhold, nur muß da weitaus mehr passieren als bisher, wenn das befürchtete Theater-, Opern- und Orchestersterben ausbleiben soll. Das aber wollen alle: daß es weitergeht. Also: hurtig die alten Rituale über Bord geworfen und neue Gedanken gedacht. Braucht Beethoven den Abendanzug und den Schlips? Wird die Matthäus-Passion flacher, nur weil auf den Eintrittskarten „Aspirin“ steht? Kann man in die Konzertsäle nicht ein bißchen Open-Air-Flair bringen? Warum nicht ein bißchen „Event“ vor der Traviata und zwischen ihren Akten? Diese ganzen Hochamts-Rituale in Oper, Schauspiel und Konzert kommen eh aus einer Zeit, deren Staub man – in dieser Hinsicht – von den Hosen schütteln sollte. Komponisten haben für Menschen geschrieben und nicht für Anbeter. Sponsoren schmücken sich gerne, also sollen sie. Vielleicht fängt der Mercedes-Stern sogar zu leuchten an, wenn er Beethoven sponsern darf, wer weiß! 


In diesem Sinne
 
Ihr
Konrad Beikircher


©  2013 Konrad Beikircher für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker