Rhein und wahr

Aus dem Tagebuch

von Erwin Grosche

Foto © Frank Becker
Eine Chance für den Geduldigen
Wettbewerbe gegen die kleinen
Widrigkeiten des Alltags


7. April: Der Spülwettbewerb: Heute Mittag gewann ich überlegen den Spülwettbewerb im Vergleich mit einer Spülmaschine. Ich stellte in ihr fünf Teller, fünf Gläser, fünf Tassen mit dem dazugehörigen Besteck ab und drückte ihre Spülfunktionstaste. Nach kleinem „Vorsprung-lassen“ spülte ich parallel dazu die gleiche Anzahl Teller, Gläser, Tassen und Besteck im Handwaschbecken. Was soll ich es verschweigen? Ich gewann den Tassenkampf um Längen und konnte sogar beim Qualitätstest der handgespülten Gläser weit vor den maschinengespülten Gläsern punkten. Allerdings muß ich zugeben, daß mir der Gleichheitsgedanke der Spülmaschine  fehlte. Sie spülte Geschirr und Besteck unabhängig von Funktion und Aussehen gleich, während ich Vorlieben habe. Ich habe Lieblingsgläser, und manchem labilen Tassenhenkel begegne ich bewußt sanft. Die abstehenden Ohren meines Mannes profitieren davon. Ich berühre sie bewußt vorsichtig, damit sie nicht abfallen. So hält die Liebe auf, aber das sind natürlich Menschenschwächen.
 
8. April: Das Aufzugrennen: Einmal schickte ich unseren Aufzug unbemannt in den achten Stock und versuchte die gleiche Strecke durch Laufen zu bewältigen. Ich kam dabei schon aus der Puste, war aber um einiges eher da, zumal ich es so eingerichtet hatte, daß der Aufzug in jedem Stock kurz halten mußte, um seine Türen zu öffnen. Nach meinem Sieg ließ ich mich von ihm in aller Demut in das Erdgeschoß bringen und frohlockte beim Abschied: „Mich ersetzt du nicht, du Lahmarsch!“
 
12. April: Der letzte Ampelüberquerer: Natürlich ist der Autofahrer glücklich, wenn er es schafft, in der scheidenden Grünphase noch als Letzter die Ampel überqueren zu können. Es gehört aber zum Fair Play, daß er dabei nicht unnatürlich langsam fährt, sondern sich einreiht in die Geschwindigkeit der Welt. Er läßt sich ein auf dieses Spiel, welches dem Geduldigen eine Chance gibt. So wird man zum Auserwählten, zum Symbol der Vernunft. Da hat es jemand geschafft sein Glück zu finden, der ganz normal seine Pflichten tat. Wenn man als Letzter durch die scheidende Grünphase fährt, gewinnt man den Spaß am Leben zurück. Alles ist möglich, aller Zustand kann verändert werden. Gott blickt auf den Wurm. Erkenne den Augenblick und verändere dein Leben. Zweifel nicht an der Gnade und dem Glück.


© 2013 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker