Hoffnungen

Ulrich Seidel - "Paradies"

von Frank Becker

Titel: aus Paradies - Liebe - © Ulrich Seidel

 

Hoffnungen
 
Vielleicht kommt man am besten zum Ziel der Betrachtung, wenn man den Begriff der Hoffnung aus dem Titel für Ulrich Seidls bewegendes Filmprojekt herausfiltert. Den Film habe ich bisher leider nicht sehen können, doch hat mich die Lektüre/das intensive Betrachten des von Ulrich Seidl dazu im Hatje Cantz Verlag herausgegebenen Bildbandes so sehr in den Bann des von ihm sensibel abgehandelten Themas gezogen, daß mir das bewegte Bild kaum noch fehlt. Die Stills, die Seidel für die drei Kapitel ausgewählt und zusammengestellt hat, sind so aussagekräftig, so intim und traurig, daß sie für einen „inneren“ Film sorgen.
 
Der Verlag schreibt dazu: „Themen wie Körper, Körperlichkeit, Sexualität und Begehren stehen im Zentrum der Arbeit des österreichischen Regisseurs Ulrich Seidl (*1952 in Wien). Seine Filmtrilogie Paradies wurde bei internationalen Filmfestivals, etwa in Cannes oder Venedig, gefeiert, aber auch kontrovers diskutiert. In atemberaubenden Tableaus erzählt Seidl in drei Teilen – Liebe, Glaube und Hoffnung – von drei Frauen aus einer Familie, die jede für sich ihren Urlaub verbringen: als Sextouristin in Kenia, als missionierende Katholikin an der Peripherie Wiens und als Teenager in einem Diätcamp. Drei Filme, drei Frauen, drei Sehnsuchtsgeschichten. Seidls Blick auf die Körper der Protagonistinnen wurde mit dem des Malers Lucian Freud auf seine Modelle verglichen. Tatsächlich sind die reduzierten Bildeinstellungen, die Seidl verwendet, bis ins Detail durchkomponiert und ästhetisierend, was in starkem Kontrast zu den »vulgären« Motiven steht. Die spektakulärsten Standbilder aus der Trilogie präsentiert der vorliegende Bildband im Großformat.“
 
 
 Aus Paradies - Liebe - © Ulrich Seidel

Hat man die großformatigen Bilder dazu vor Augen (wir können zur verdeutlichenden Illustration nur wenige Zeigen), begreift man, wie subtil Seidl beobachtet, die Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte seiner Protagonisten skizziert. Und das sind nicht nur die drei oben genannten Frauen, denn auch die, auf die sie in Seidls Filmerzählungen treffen, sind genauso Hoffende, Begehrende, Träumer. Ob das die kenianischen Callboys sind, die sich einsamen in die Jahre gekommenen und aus der Form geratenen weißen Frauen als Liebhaber verkaufen, die bigotten Glaubensbrüder- und Schwestern der fanatisch missionierenden Maria oder die verfetteten Leidensgenossen des pubertierenden Mädchens ebenso wie der traurige Lehrer, in den sie sich verliebt. Für keinen ist das weniger als die Hölle. Werner Herzog kommentiert das so: „Noch nie habe ich im Kino so geradewegs in die Hölle geschaut.“ Allen ist die sich individuell äußernde Sexualität das Ventil ihrer Ängste, Nöte, Probleme. Seidl macht das in teils drastischen, aber nie allzu anstößigen Bildern greifbar, aus welchen zudem großes Verständnis spricht. Auch John Waters wird mit den trefflichen Worten zitiert: „Fassbinder ist tot, also gab Gott uns Ulrich Seidl.“ Das kann man so stehen lassen.
 

Aus Paradies - Glaube - © Ulrich Seidel
 
Ulrich Seidl – „Paradies - Liebe Glaube Hoffnung“
Filmtrilogie Paradies – Standbilder und Aufnahmen vom Set, mit Essays, Interview und „Making of“
Hrsg. Claus Philipp, Astrid Wolfig, Texte von Marina Abramovic, Josef Bierbichler, Christoph Huber, Elfriede Jelinek, Claus Philipp, Ulrich Seidl, Setaufnahmen von Wolfgang Thaler, Ed Lachmann, Reiner Riedler, Gestaltung von Naroska, Berlin
Deutsch/Englisch
© 2013 Hatje Cantz, 176 Seiten, gebunden 31,20 x 27,70 cm, 78 Abb. - ISBN 978-3-7757-3559-9
35,- €

 
 Aus Paradies - Hoffnung - © Ulrich Seidel
 
Weitere Informationen: www.hatjecantz.de