Der Perlinger-Weg ins Glück - Religion

von Sissi Perlinger

© Sissi Perlinger
Religion
 
Ach, also für mich war »der liebe Gott« immer in einer Liga mit dem Nikolausi und dem Osterhasi. So eine Art Himmelsyeti, aber ohne Fußspuren. Ich bin auch nie in die Kirche gegangen. Wieso soll ich gerade am Sonntag beten, wenn doch jeder weiß, daß Gott genau an dem Tag ruht. Den Rest der Woche sitzt er dann angeblich da oben, so »SED-spitzelmäßig«, und überwacht, ob wir auch alle seine Gebote einhalten, und wenn nicht, dann müssen wir in der Hölle braten. Aber er liebt uns ganz dolle. Das ist schizophren, da muß man doch paranoid werden. Schon Sigmund Freud hat geschrieben; Religion ist eine Massenpsychose.

Mein Religionslehrer sagte allen Ernstes mal den Satz; »Damit die Kinder vorbereitet werden auf diese sündige Welt, muß man sie frühzeitig traumatisieren.« Ich verstehe die grauenhaften Dimensionen hinter diesen Worten erst jetzt. Die Orden haben zu diesem Zweck Internate eingerichtet, und damit die Kinder auch alle Schweinereien mit sich machen lassen, hat man ihnen schön Angst eingejagt. Deswegen hängt da auch immer diese Leiche mit den zwei Brettern in jedem Klassenzimmer, dieser »Jesus-Baukasten«. Ein zu Tode gefolterter Gottessohn, was ist das denn für ’ne Botschaft? Wenn nicht mal Gott seinen eigenen Sohn vor der Grausamkeit der Menschen schützen kann, was  werden die dann erst alles mit mir anstellen, wenn ich nicht gehorche?? Mein Reli-Lehrer meinte dann auch mit bedrohlichem Unterton: »Du weißt, was passiert, wenn man eines der zehn Gebote bricht?“ »Ja, dann sind’s nur noch neun!« Da mußte ich ganz schön Fersengeld geben, sonst hätte der mich windelweich geprügelt.

Ich dachte früher, das Wort »Advent« käme vom englischen »adventure«, weil die Geschichten, die uns erzählt wurden, so dermaßen abenteuerlich waren. Zum Beispiel, daß es eine Sünde ist, vom Baum der Erkenntnis zu essen. Hallo? Das ist doch, als dürfe man nicht vom Quell des Lebens trinken oder den Stein der Weisen finden. Hey, wenn ich nur im Paradies sein darf, solange ich doof bleibe, will ich da nicht sein! Was ist denn der Garten Eden? Der Big-Brother-Container??!! Noch viel heftiger finde ich, daß wir angeblich alle schon als kleine Kinder mit der Erbsünde behaftet sind? Weil vor etwa 2.000 Jahren der Sohn vom Big Boss umgelegt wurde, das ist doch wie sizilianische Sippenhaft. Was ist die Kirche denn? 'ne Mafia? Klar, deswegen ist der Vatikan ja auch der reichste Staat der Welt. Aber bis jetzt durfte man solche Dinge niemals öffentlich im Fernsehen sagen. Es könnten ja die Gefühle verletzt werden, von Menschen, die auf so billige Tricks reinfallen wie; daß man übers Meer latschen kann. Oder jungfräulich gebären. Oder Wasser zu Wein zu verwandeln. Solchen Leuten kann man anscheinend jeden Bären aufbinden, sogar sprechende Schlangen!? Oder allein die abenteuerliche Vorstellung, daß Jesus drei Tage nach seinem Tod wieder auferstanden ist. Das ist für mich eine ganz gruselige Zombie-Nummer. Ich hab als Kind bei der heiligen Kommunion zu meiner Mama gesagt: »Ich will den Leib Christi nicht essen, der ist doch seit 2.000 Jahren tot, und die hatten damals noch nicht mal ’nen Kühlschrank. Außerdem bin ich kein Kannibale. Und sein Blut trink ich schon gar nicht, ich bin doch kein Vampir.« Meine Mama antwortete damals mit dem schönen Satz; »Geh Kind, das ist doch alles bloß symbolisch gemeint. Kommunion ist eine politische Sache, das heißt: komm zur Union.«




(Textauszug aus "Auszeit! Der Perlinger-Weg ins Glück"
mit freundlicher Genehmigung des Südwest Verlages)
Weitere Informationen unter: www.sissi-perlinger.de
Redaktion: Frank Becker