Ein erlesener Theaterabend

Mitreißender „Amadeus“ vom Landestheater Neuss unter Antje Thoms

von Frank Becker

Der Steinerne Gast
 
Peter Shaffers „Amadeus“
vom Landestheater Neuss
unter Antje Thoms mitreißend
auf die Bühne gebracht
 

Regie: Antje Thoms - Bühne/Kostüme: Ivonne Theodora Storm – Pianist: Robin Jurmann - Dramaturgie: Stefanie Schnitzler
Besetzung: Antonio Salieri (Joachim Berger) - Wolfgang Amadeus Mozart (Jonathan Schimmer) - Constanze Weber, seine Frau (Ulrike Knobloch) – Venticello 1 u.a. (Henning Strübbe) Venticello 2 u.a. (Georg Strohbach) - Kapellmeister Bono (Robin Jurmann)

Hat Antonio Salieri Mozart vergiftet? Längst ist die Wissenschaft über diesen Gedanken hinweg, der in den 1970er Jahren international für Furore sorgte und den englischen Dramatiker Peter Shaffer zu seinem ihm schlagartig Weltruhm verschaffenden Theaterstück „Amadeus“ anregte. Die Mordtheorie mag ins Wanken gekommen sein, das Stück aber hat seit seiner Uraufführung 1979 und seiner Deutschlandpremiere 1981 mit dem einzigartigen Boy Gobert (1925-1986) als Salieri nichts von seiner Spannung und seiner Brillanz verloren.
 
Am vergangenen Sonntagabend war – eine Woche nach seiner Premiere in Neuss - im Remscheider Teo Otto Theater bei einem Gastspiel des Rheinischen Landestheaters vor nahezu leeren Rängen (nur etwa 50 werden es gewesen sein) und einer völlig überforderten Schulklasse von 10-Jährigen (welcher Lehrer kommt auf den Hirnriß, Kinder in dieses schwierige, textlastige, an Zoten und Fäkalsprache reiche Stück zu schleppen?) eine kurzweilige, spritzige, originelle und höchst dramatische Inszenierung des RLT von Antje Thoms zu sehen.
Shaffer läßt den kaiserlichen Wiener Hofkompositeur Antonio Salieri (trotz Grippe großartig: Joachim Berger), 32 Jahre nach Mozarts noch immer geheimnisumwittertem Tod, vor sich selbst und den Geistern der Vergangenheit Rechenschaft ablegen. Rechenschaft über die Intrigen, die er gegen Mozart gesponnen hat, seit jener den Fuß nach Wien hinein setzte, um dort Karriere zu machen. Denn – und soviel ist gewiß – Salieri erkennt schnell, daß sein Bestand bei Hofe und in der Musikwelt durch Mozarts Erscheinen aufs höchste gefährdet ist. Er kann das Genie Mozarts sehr wohl einschätzen, gegen das er selbst nur ein Notenschreiber ist, und dessen Äußerungen wie „Salieri ist ein musikalischer Idiot“ er sich kolportieren lassen muß.
 
„Mir scheint, als hätte ich die Stimme Gottes gehört“ läßt Shaffer Salieri von seiner ersten Begegnung

Antonio Salieri (Wolfgang Berger) erkennt Mozarts Genie -
Foto © Anke Sundermeier / Stage Pictures
mit Mozarts Musik sagen. Es entwickelt sich auf gedrängter aber effektvoller Bühne ein dramatisches Duell auf musikalischem Boden, eine Tragödie, in deren Verlauf  Salieri intrigant dem jungen Genie jeden nur möglichen Knüppel zwischen die Beine wirft, skrupellos Mozarts Constanze (bewegend: Ulrike Knobloch) – die sich ihm Mozart zuliebe zu prostituieren bereit ist - zu verführen versucht ihm aber Protektion vorgaukelt. Währenddessen verletzt der ungebärdige, vulgäre Mozart (brillant: Jonathan Schimmer) jegliche Konvention, schreibt genialische Musik und bekommt doch keinen Fuß auf den Wiener Boden. Mozart stirbt 35-jährig nach Fieberträumen, in denen Shaffer auch den Steinernen Gast auftreten läßt, Salieri wird im Schatten von Mozarts gigantischem Nachruhm zwar wohlhabend, aber bedeutungslos 75 Jahre alt.

Musikeinspielungen von Robin Juhrmann am Klavier illustrieren die Entwicklung hautnah. In Joachim Berger findet der am Hofe mächtige Salieri eine ebenso markante Entsprechung wie das große Kind Mozart in Jonathan Schimmer, sowie der Kaiser und die Hofschranzen in Henning Strübbe und Georg Strohbach, die ihre diversen Rollen mit Verve abliefern. Ein erlesener Theaterabend, der von den wenigen im Saal mit verdienten Ovationen bedacht wurde. Bravo, Bravi, Chapeau!

 
Nächste Vorstellungen: Heute, 6.3.13, 19.30 Uhr, Bürgerhaus Radevormwald, morgen, 7.3.13, 20.00 Uhr, Erasmus-Gymnasium Grevenbroich, Samstag, 9.3.13, 20.00 Uhr, Schauspielhaus Neuss
 
Weitere Informationen: www.rlt-neuss.de