Gnadenlos begnadet

Heino – „Mit freundlichen Grüßen“

von Peter Bilsing/Bec.

© Starwatch Entertainment
Gnadenlos begnadet
 Heino - MfG
 
Als Zorro der deutschen Volksmusik schlägt er zurück: „HEI-NOON“ (Zitat Bild). „Mit freundlichen Grüßen“ heißt das neue Album des urdeutschen Altbarden Heino und es schlägt auf dem Musikmarkt ein wie eine Bombe. Heino hat sich zum Alt-Rocker gemausert - was dem 75-jährigen durchaus zusteht - und knöpft sich die deutsche Hip-Hop, Heavymetal, Rap & Rock-Pop-Generation vor, im Gegensatz zu jenen ohne die ihm gegenüber an den Tag gelegte Häme; was ihm jedoch einige der nachgespielten „Idole“, wie es scheint, ausgesprochen übelnehmen. Man könnte sagen: Heino der Rocker läßt Rammstein & Co weinen. Doch schon haben die ersten Hitparaden-Plärrer eingelenkt, da einigen von ihnen die ungeheure PR-Wirkung dieses musikalischen Mega-Coups mehr Aufmerksamkeit beschert, als sie mit ihren Originalen je hatten.
Heino ist schon auf Platz 1 der deutschen Album-Charts - und das zu Recht! Wer hätte je gedacht, daß der Oldtimer einmal in den Diskotheken des Landes zum Helden wird. Heino singt die „Top Hits“ derer, die ihn einst verhöhnten, beschimpften und beleidigten.
 
Kurz zur Vita des bekannten und fast dienstältesten Sängers deutschen Liedguts und Schlagers, der schon 50 Jahre lang auf der Erfolgsspur fährt.
Am 13. Dezember 1938 wurde er als Heinz Georg Kramm in Düsseldorf-Oberbilk geboren. Jung-Heino machte ab 1952 eine Ausbildung zum Bäcker und Konditor. Aufgrund seiner Augenerkrankung trägt Heino seit den 1970er Jahren in der Öffentlichkeit immer eine fast schwarze Sonnenbrille - also keine PR-Masche. Kurios: Von der Stadt Bad Münstereifel, wo er jahrzehntelang auch ein Kaffeehaus (Heinos Cafe) betrieb - wurde ihm ein Personalausweis mit Brille auf dem Paßbild ausgestellt, das Bundesinnenministerium stellte aber folgenlos klar, daß dies nicht gestattet sei. In seiner jetzt gut 50-jährigen Karriere verkaufte der Sänger rund 50 Millionen Tonträger und ist sicherlich der erfolgreichste Troubadour fürs teutsche National- und Schlagergut. Manche nehmen ihm noch heute übel und beschimpfen ihn als Nazi, weil er einmal (!) 1977 alle drei Strophen der deutschen Nationalhymne gesungen hat. Doch sei zu seiner Ehrenrettung ergänzt, daß er immer wieder betont hat „braune Glatzen“ zu hassen. Inwieweit seine Lieder eine „völkisch verherrlichende Gesinnung“ (was immer damit gemeint ist) haben, möge jeder selber entscheiden. Wenn ich heute einige der übelsten rassistischen Dreckgesänge in Fußballstadien höre, scheint mir dieser Vorwurf doch ausgesprochen marginal.
 
Doch auf zum neuen Album "Heino - mit freundlichen Grüßen"- Untertitel: "Das verbotene Album".
Heino entmüllt so manchen Song und singt die Lieder natürlich auf seine Art, wenn auch textkorrekt - vor allem anders und besser intoniert - als die Originalaufnahmen. Seine fabelhafte Diktion enthüllt manche der Originale als ausgesprochenen Schmalzhit. Heino ist alt genug, er beherrscht die Ironie - so richtig plakativ verarschen möchte er die Kollegen allerdings nicht – er nimmt sie elegant auf die Schippe. Seine Coverversionen sind von ausgesprochenem Charme und der Liebe zur Musik geprägt, und das Schönste an der Geschichte ist, daß sich die „deutschen Rocker“ überhaupt nicht dagegen wehren können. Das musikalische Urheberrecht läßt so etwas zu, solange man Tantiemen an den Musikverlag und die oder den Komponisten zahlt.
So müssen sich Fanta4, Marius Müller-Westernhagen, Peter Fox und Co. zähneknirschend anhören, wie sich der alte Mann Heino auf höchst intelligente und ohrenangenehme Weise über sie lustig macht, indem er die Songs praktisch unverändert nachsingt.
In meinen Ohren - der Widerspruch meiner Kinder ist mir gewiß - klingt vieles deutlich besser oder erscheint mir angenehmer rezipierbar (ohne Magenkrämpfe und Hörschäden) als die Originale Was covert dieser Heino nun eigentlich? Für die älteren und Pop-unkundigen Leser haben wir die Originale in der CD-Reihenfolge herausgesucht und geben den Link zu Youtube gleich dazu (s.u. in der Tirelauflistung), zum Kennenlernen dieser „Original-Hits“ für Uneingeweihte.
 
Heino wird zum John Rambo der Vokalmusik. Wo Sylvester Stallone oder Arnold Schwarzenegger Gewalt brauchten, nutzt Heino nur seine Stimme gegen seine „Gegner“, und läßt dabei die
nachgespielten Schlager oder Rocktitel-Originale im Vergleich teilweise ausgesprochen fade aussehen. Aber das ist summa summarum nur meine ganz persönliche Meinung. Bitte von Morddrohungen abzusehen, liebe Grönemeyer-Fans. Nicht selten, so würde ich formulieren, besiegt echte Stimme hier musikalisches Dünnbrettbohrertum. Wie gesagt: Die Fans der „Originals“ mögen mir verzeihen.
Endlich hören wir, wie schön ein Grönemeyer-Text (der allerdings nur bei der Download-Version) mit echter Männerstimme gesungen, klingen kann. Alle Titel zu kommentieren würde den Rahmen einer kurzen Rezension sprengen, daher pars pro toto:
„Junge“ von den Ärzten kommt als grandios gespielte wilde Country-Ballade daher. Der Song erscheint auf einmal lebensecht und seriös und mit der Faszination eines „Father & Son“ von Cat Stevens. Hier singt der deutsche Johnny Cash. Vielleicht das beste Lied der ganzen DVD...
„Sonne“ ist wirklich ein Hammer! Nicht nur, daß Heino das „r“ in alter Sängertradition noch härter rollt als Till Lindemann, auch die Bläser-Combo spielt eine tolle Begleitung. Ich frage mich ernsthaft: Wann tritt Heino einmal mit den Jungs auf?
Aus Fanta 4´s Säuselhit „Mit freundlichen Grüßen“ wird dank tollem Background-Chor und einer perfekten Studio-Band zum Disco-Headbanger erster Provenienz - Holla Heino! Peter Fox kann man kaum besser machen als das Original, aber selbst Sidos wirklich gutem Stück, „Augen auf“, kann der alte Recke mit seiner Version in vokaler Sänger-Pracht noch Paroli bieten. Respekt!
Daß Heino natürlich erheblich besser und hörbarer singt (wer tut das nicht) als Stefan Remmler war zu erwarten und macht den „Vogel der Nacht“ doch noch zum richtig guten Song.
Und wie schön und dem Ohr schmeichelnd klingt es, wenn „Leuchtturm“, jener Hit der dauernervenden Lena mal nicht plärrend, sondern fast im schönen Johnny-Cash-Balladen-Stil rüberkommt; so bekommt diese Schnulze Charakter abseits aller Elektronikaufmischung und synthetischen Stimmtransponierung.
 
Der Musikkritiker rät zum Kauf - mit dem kleinen Tip, daß zur Zeit (9.2.13) die ganze CD als MP3 für ehrliche 6,99 Euro aus dem Netz legal heruntergeladen werden kann. Als Bonus bekommt man (s.o.) beim Download Herbert Grönemeyers "Was soll das". Fragt sich, wie lange noch...
 
Heino – „Mit freundlichen Grüßen“
© 2013 Starwatch Entertainment
Titel:
1. Junge (Die Ärzte) - 2. Haus am See (Peter Fox) - 3. Ein Kompliment (Sportfreunde Stiller) - 4. Augen auf (Oomph)
5. Sonne (Rammstein) - 6. Gewinner (Clueso) - 7. Liebeslied (Absolute Beginners) - 8. Leuchtturm (Nena) - 9. Vogel der Nacht (Stefan Remmler) - 10. MfG (Fanta 4) - 11. Kling Klang (Keimzeit) - 12. Willenlos (Marius Müller-Westernhagen) 
 
Gesamtzeit:  44:11

Weitere Informationen:
www.heino.de  -  www.starwatch.de  -  www.youtube.com/watch?v=0wPkx8bApxc (Zum Probehören)

P.S. der Redaktion: Augenscheinlich hat ein Postbediensteter mal einen Blick in den Umschlag geworfen, in dem uns die CD zugestellt wurde, um zu sehen, ob sich vielleicht ein Diebstahl lohnt. Und ganz offensichtlich ist er entsetzt mit dem Schreckensruf "Oh Gott, Heino!" zurückgefahren und hat ihn flugs wieder zugeklebt. Der "Aufriß" und das amtlliche Klebeband der Post: DHL/Deutsche Post: "Nachverpackt / Repacked" lassen diesen Schluß zu. Aber, werter verhinderter Dieb: Es hätte sich gelohnt!

Redaktion: Frank Becker