Man kann auch gegen die Zeit laufen...
Die Städtische Wuppertaler Kunstsammlung, das Von der Heydt-Museum in Elberfeld, seit einem runden Jahr unter der Leitung von Dr. Gerhard Finckh, erfährt eine grundlegende Umgestaltung. Nachdem die Ausstellung "Im neuen Licht" (noch bis zum März zu sehen) bereits Akzente setzte, ist jetzt die neue Präsentation der Dauerausstellung so weit fertig gestellt, daß sie der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Am Sonntag, dem 21. Januar wird sie unter dem Titel "Pasticcio I - Meisterwerke aus der Sammlung" eröffnet. Die Namensfindung will auf eine delikat angerichtete Zusammenstellung hinweisen, die Appetit auf Folgendes machen soll. Nie Gerhard Finckh setzt auf ein anderes Konzept, mit dem er in den mit mobilen Stellwänden nun variabel zu gestaltenden zehn Räumen der Dauerausstellung eine kunsthistorische Chronologie "schreibt". Finckh: "Natürlich ist eine Auswahl aus einem Reichtum solcherer Bestände immer subjektiv, muß oder kann als willkürlich empfunden werden." Er will damit und mit dem gegenüber der vorherigen Hängung vergleichsweise "kleinen" Angebot beileibe nicht dem Besucher die Sicht oder den Geschmack des Museums aufdrängen - des Rätsels Lösung liegt schon im Namen "Pasticcio I". Da nämlich liegen ein "Pasticcio II" und weitere geradezu in der Luft. Uns so ist es auch, denn noch im Laufe des Jahres sollen im fließenden Übergang die Exponate wechseln, dem frequenten Museumsbesucher nach und nach weitere Schätze des Bestandes in bekömmlichen Dosen vorführen. Auf einen weiteren, sympathischen Punkt setzt Gerhard Finckh, seinen Blick auf die kunsthistorischen Entwicklungen, den er eine "biedere Sicht" nennt. Es tut wohl, dieses geschmähte Wort, von der ihm anhaftenden Muffigkeit befreit, hier auf seine eigentliche Bedeutung, seinen etymologischen Inhalt zurückgeführt zu sehen: tüchtig und brauchbar, ja rechtschaffen zu sein - anstelle von Höhenflügen die Füße auf den Boden zu bringen. Das ist eine gesunde Basis für die Ausstellung einer Sammlung, die auf bürgerliches Mäzenatentum zurück geht. Folgen wir einmal dem Aufbau der Ausstellung, die man im zweiten Stock des Hauses Turmhof 8 im Uhrzeigersinn durchwandern sollte, will man der Chronologie folgen. Nicht ohne augenzwinkernde Doppeldeutigkeit kommentiert Gerhard Finckh lächelnd: "Man kann auch gegen die Zeit laufen...".
Ein wunderbares Frauenbildnis Anselm Feuerbachs, Arbeiten von Wilhelm Leibl und Wilhelm Trübner stehen danach europäischen Zeitgenossen des späten 19. Jahrhunderts gegenüber: Paul Gauguin, Henri Matisse, Pablo Picasso (blaue Phase) und ein früher Vincent van Gogh. Der Beginn der Moderne. Wuchtig schwingt Ferdinand Hodlers Holzfäller einen Raum weiter die symbolistische Axt, dräuen düstere Motive Corinths, Selvogts und Paula Modersohn-Beckers (2007 ist ihr 100. Todesjahr). Walter Leistikow fehlt bei den Sezessionisten hier schmerzlich. Doch warten wir auf "Pasticcio II". Die Dynamik nimmt merkbar zu, wir nähern uns, vorbei an Kees van Dongens Fauve-Portrait des Museumsstifters August Freiherr von der Heydt, dem
Und mittendrin der ausdrucksvolle Mahagoni-Kopf Rudolf Bellings, auf Joseph Goebbels gemünzt (der übrigens nur wenig später seinen Wahlkreis als NSDAP-Kandidat in Elberfeld hatte - und gewählt wurde), der sich, die Augen verdrehend, zwischen soviel Expressionismus sichtlich unwohl fühlt. Gut gestellt. Eine wuchtige Packung Moderne des 20. Jahrhunderts erwartet uns zum Abschluß des Rundgangs: Max Ernst und Salvador Dali, Paul Klee, Willi Baumeister und Jean Dubuffet, allein neun Gemälde Max Beckmanns in
Eröffnung am Sonntag, dem 21. Januar 2007, um 15.00 Uhr - Turmhof 8, 42103 Wuppertal - Es sprechen Oberbürgermeister Peter Jung und Museumsdirektor Dr. Gerhard Finckh.
Übrigens: Die Cornwall-Klamotten von Richard Long vermisse ich überhaupt nicht. Und wenn ganz zufällig die verstaubten Fahrrad-Ersatzteile eines gewissen Herrn von Weizsäcker von der Wand neben der Treppe zum 2. Obergschoß verschwänden, wäre das sicher ebenfalls kein Verlust. Vormerken: die nächste Wechsel-Ausstellung wird ab 4. Februar gezeigt: "Abenteuer Barbizon - Landschaft und Malerei von Corot bis Monet". Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de |