Das Schicksal der Verlierer

Großartige Inszenierung der "Troerinnen" von Karin Beier in Köln

von Andreas Rehnolt


Großartige Inszenierung der "Troerinnen"
von Karin Beier in Köln
 
Das von Jean-Paul Sartre übersetzte antike Antikriegs-Stück von Euripides beeindruckt durch ein grandios düsteres Bühnenbild und großartige Schauspielerinnen
 
 
Köln - Für ihren Abschied vom Amt der Intendantin des Kölner Schauspielhauses hat sich Karin Beier mit dem antiken Euripides-Klassiker "Die Troerinnen" ebenfalls ein Abschieds-Stück vorgenommen. Dunkel, brutal, klagend und anklagend kommt dieses Antikriegs-Stück in der von Jean-Paul Sartre übersetzten Fassung in Köln auf die Bühne. Premiere hatte das Drama am 11. Januar. Der Rezensent war bei der zweiten Aufführung am 13. Januar dabei. Schon der Beginn sorgt für Gänsehaut.
 
Donnergetöse, ein wogendes Meer aus Plastikplanen, Wasserspritzer und mittendrin ein Meeresgott Poseidon (Robert Dölle), der bitterlich beklagt, daß er seine Stadt Troja nicht beschützen konnte. Das Griechen-Heer hatte nach zehnjähriger Belagerung durch eine List von Odysseus (Das Trojanische Pferd) für den Untergang der Stadt gesorgt. Troja ist tot. Einzig die Frauen haben überlebt und machen sich nun darauf gefaßt, verlost und einem der Sieger als lebende Beute zugeteilt zu werden, um ihr weiteres Leben in Sklaverei im fernen Griechenland zu ertragen.
Schwarz ist die Erde, sieben Frauen kauern notdürftig mit Decken bedeckt im Sand. Über ihnen schwebt ein riesiges Megaphon, aus dem sie Anweisungen erhalten. Minutenlang müssen sie prall gefüllte Säcke von einer Ecke in die andere schleppen und wieder zu einem Haufen zusammenstellen. Anfangs beklagen sie noch ihr Elend, trauern ihren Männern nach und machen den Siegern Vorwürfe. Alles andere als antik. Man fühlt sich versetzt nach Syrien, nach Ägypten, nach Mali oder den vielen anderen aktuellen Kriegs- und Krisengebieten dieser Erde. Die Frauen bleiben zurück, sie müssen sich irgendwie arrangieren mit denen, die ihnen ihr Liebstes genommen haben. Das war in der Antike so und das ist bis heute so geblieben.
 
Und davon lebt die Inszenierung. Der Text wird hier in Handlung verwandelt, sieben großartige Schauspielerinnen erleiden ihr Schicksal, machen sich im Verlauf des Stücks auch gegenseitig das Leben schwer, nehmen weder auf sich selbst, noch auf die Leidensgefährtinnen Rücksicht. Julia Weininger als Königin Hekuba erbricht ihre Vorwürfe gegen die Sieger aus sich heraus, Rosalba Torres Guerrero als Kassandra tanzt sich förmlich in Trance und verspricht den verhaßten Griechen, mit ihr käme das Verderben in ihre Heimat.
Anja Lais ist beeindruckend, ihr grotesk leidend geschminktes Gesicht läßt einen schaudern. Ebenso Angelika Richter in der Rolle der untreuen Helena, wegen der angeblich der grausame Krieg getobt hat und die sich nun gegenüber ihrem früheren Griechengemahl Menelaos (Jörg Dippe) als unschuldiges Opfer zu präsentieren versucht. Und dann natürlich als Andromache Lina Beckmann, die Schauspielerin, die in Köln für grandiose Emotionen im Minen- und Körperspiel und für herausgeschrieene und -geflüsterte Trauer, Wut und Liebe steht. Wie sie ihren noch in Windeln steckenden Sohn hergeben muß, weil die Sieger ihn als möglichen neuen trojanischen König fürchten, das treibt einem schon die Tränen ins Gesicht.
 
In dieser Inszenierung können die Männer natürlich nur schwach aussehen. Nur zwei spielen auf der Bühne mit. Neben Menelaos als siegreichem Anführer der Griechen kommandiert der Krieger Talthybios die Schar der verzweifelten Frauen. So stark und beeindruckend die schauspielerischen Leistungen sind, bleibt ein Moment in der spannenden Inszenierung unerklärlich und grotesk. Der nämlich, als Menelaos das Publikum - ähnlich wie beim Dschungelcamp des TV-Senders RTL - darüber abstimmen läßt, ob die schöne Helena nun noch in Troja hingerichtet wird oder erst im fernen Griechenland. Diese Minuten sind aber auch der einzige „Fehlgriff“, den sich Beier in ihrer Abschieds-Inszenierung leistet. Langanhaltender Applaus für Darsteller, Regie und das von Thomas Dreissigacker grandios gestaltete Bühnenbild.
 
Nächste Aufführungen: 1., 2., 3. Februar