Blutspuren der Geschichte

Joachim Wahl - "15 000 Jahre Mord und Totschlag" - Anthropologen auf der Spur spektakulärer Verbrechen

von Steffi Engler

Blutspuren der Geschichte

Unermüdlich ist die Wissenschaft in ihrem Bestreben, neue Erkenntnisse über unser Leben, seine Funktionen – und sein Ende zu erlangen. Die anthropologische Forensik, insbesondere die der Methoden der Kriminaltechnik, gehört nicht nur in den überaus beliebten Fernseh-Kriminalserien an vorderster Stelle dazu. Ohne die Erkenntnisse der Rechtsmedizin wären z.B. Fund, Datierung und Analyse der jungsteinzeitlichen Ötztaler Eis-Mumie sicher unvollständig geblieben, und der Tod des waghalsigen Alpenwanderers vor etwa 5.000 Jahren vielleicht als Unfall eingestuft worden. Dank der forensischen Untersuchung wissen wir es nun besser.
Joachim Wahl hat in seinem beim Theiss Verlag erschienenen Buch „15.000 Jahre Mord und Totschlag – Anthropologen auf der Spur spektakulärer Verbrechen“ dieses ungemein spannende Thema aufgegriffen und erzählt in 15 Kapiteln von den sensationellen Erkenntnissen, welche seine Disziplin aufgrund verbesserter wissenschaftlicher Methoden in der jüngeren Vergangenheit aus Leichen- und Gräberfunden ziehen konnte. Daß sich das wie ein Krimi liest, liegt nicht zuletzt daran, daß man durch die dichte und auch Laien verständliche Erzählweise und Erläuterungen Joachim Wahls zum Augenzeugen von Tat und Aufklärung wird, dem Gerichtsmediziner und Anthropologen quasi bei seiner Arbeit über die Schulter schaut.

Neben vielen anderen Tausende von Jahren zurückliegenden Gewalttaten, Morden und Hinrichtungen berichtet das Buch über den sensationellen Fund eines Massengrabes in Talheim/Baden-Württemberg, das 1983 von einem Gärtner unter seinem Salatbeet entdeckt wurde. Mindestens 34 Menschen waren vermutlich während eines Überfalls auf eine steinzeitliche Siedlung mit Pfeilschüssen niedergestreckt und erschlagen, schließlich gemeinsam verscharrt worden. Die systematische Ermordung von Kindern, Erwachsenen und Greisen könnte ein Hinweis auf frühe kriegerische Auseinandersetzungen vor ca. 7.500 Jahren sein. Von der Zahl her noch gravierender war der Fund der Überreste von mindestens 1.900 Menschen, die beim pfälzischen Herxheim in großen Gruben zu Tage gefördert wurden. Auch das ein Fund aus der Steinzeit von vor rund 7.000 Jahren. Das Besondere daran: es scheint der kaum widerlegbare Beweis für ausgedehnten Kannibalismus zu sein. Haben unsere Vorfahren sich von Menschenfleisch ernährt?
Auch andere Massengräber, nämlich aus weit zurückliegenden Kriegen in Europa beschäftigen die Wissenschaft: Kassel, Visby, Towtown, Leipheim, Wittstock/Dosse…Eilig mit Ausrüstung und Kleidung begraben, erzählen die Soldaten und Söldner noch heute von den Schlachten, in denen sie fielen. Wirkliche Kriminalgeschichte erzählen die Knochenfunde von Eulau und Inzigkofen an denen Morde an ganzen Familien und Männern einer Gemeinschaft aufgedröselt und belegt werden können.
Joachim Wahls Buch kann sich also nicht nur mit jedem Krimi messen, es ist ungleich spannender. Eine Empfehlung der Musenblätter.  
 
Joachim Wahl - "15 000 Jahre Mord und Totschlag"
Anthropologen auf der Spur spektakulärer Verbrechen
© 2012 Konrad Theiss Verlag, 192 Seiten, kartoniert, mit 50 farbigen Abbildungen. 14,5 x 21,7 cm - ISBN 978-3-8062-2590-7
16,95 €
 
Weitere Informationen: www.theiss.de