Buntes, schillerndes, spannendes Berlin

Lucia Jay von Seldeneck – „111 Orte in Berlin, die Geschichte erzählen“

von Frank Becker
Buntes, schillerndes,
spannendes Berlin
 
Eine beinahe schon historische Figur aus einem der berühmtesten Bilder des Berliner Fotografen Friedrich Seidenstücker (1882-1966), die „Pfützenspringerin am Bahnhof Zoo, 1930“ ziert den Umschlag dieses wundervollen Berlin-Buches – und erzählt auch gleich eine (leichtfüßige) Geschichte. Denn darum geht es Lucia Jay von Seldeneck und Carolin Hude, die für Text und Recherche in Berlin das Unterste zuoberst gewendet und einen Schatz an historischen Begebenheiten, herrlichen Anekdoten und aufregenden Geschichten gehoben haben. Als Fotografin stand ihnen Verena Eidel zur Seite, die der Historie den aktuellen Blick auf den „Tatort“ hinzugefügt hat. In 111 Berichten von 111 Orten Berlins, über die und zu denen es Erzählenswertes gibt, entfalten die Autorinnen ein faszinierendes Panorama einer der interessantesten, lebendigsten und historisch interessantesten Städte der Welt.
 
Kaiserreich, Weimarer Republik, Hitler-Deutschland, BRD und DDR sind die historischen Plattformen, auf denen sich Berlins Schicksal abspielt(e) – Literatur und Film, Rundfunk und Architektur, Bildende Kunst, Kneipen und Industrie, Denkmäler, Straßen, Plätze, Hotels und vor allem die Menschen, die sie gemacht und bevölkert haben, werden vorgestellt, beleuchtet, illustriert und erläutert. Ob es Otto Witte ist, der „König von Albanien“, Dean Reed, der in der DDR gescheiterte

Unbekannte Schöne, Rolf Eden, Ingrid Steeger (v.l.) - Foto © Ullsteinfoto/Quade
US-Sänger, der exzentrische Schauspieler Klaus Kinski, Rolf Eden, einer der letzten Playboys (auf dem Foto im Buch mit der süßen Ingrid Steeger), Conrad Felixmüllers expressionistischer Blick auf die brodelnde Reichshauptstadt, die Kommune 1, der liebenswerte Show-Master Hans "Hänschen" Rosenthal oder Sudel-Ede, der widerliche DDR-Propagandist Eduard von Schnitzler – sie alle sind und haben eine Geschichte über Berlin zu erzählen.
 
Auf jeweils einer Buchseite hat Lucia Jay von Seldeneck eben diese kompakt zusammengefaßt, gegenüberliegend illustrieren zwei Fotos – ein historisches und eine Zustandsbeschreibung des betreffenden Ortes das Ereignis bzw. die Lokalität. Adressen, Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (in Berlin kommen sie mit Bus, S-Bahn, U-Bahn, Ringbahn, Straßenbahn praktisch überall hin) und aktuelle Stichworte zum Ort machen das Ziel griffig.    
Wer also nach Berlin fahren und wirklich etwas über die Stadt erfahren möchte - oder wer aus Berlin stammt und von dem typischen Heimweh des Exil- Berliners geplagt ist, sollte dieses Buch haben – auch wenn dem Band etwas entscheidend Wichtiges schmerzlich fehlt: nämlich ein Orts-, Namens- und Ereignis-Index. Daß die Autorinnen aus welchem Grund auch immer darauf verzichtet haben, ist ihnen erst zu verzeihen, wenn sie diese Scharte bei einer Neuauflage auswetzen.
 
Lucia Jay von Seldeneck – „111 Orte in Berlin, die Geschichte erzählen“
Fotografien von Verena Eidel - Recherche: Carolin Hude
© 2012 Emons Verlag, 239 Seiten,13,8 x 20,6 cm, Broschur, mit zahlreichen historischen und neuen Fotos sowie einigen Karten  -  ISBN-10: 3954510391  -  ISBN-13: 9783954510399
14,95 €
 
Weitere Informationen: www.emons-verlag.de