Krisenbewältigung ohne EU-Rettungsschirm
Dessau: Die Lustige Witwe
Griechenland, Italien, Spanien! Und jetzt auch noch das kleine Pontevendrino. Alle Pleite! Aber anders als bei den EU-Ländern hilft dem kleinen Balkanstaat kein Rettungsschirm. Also was tun? Es gibt nur eine Rettung. Hanna Glawari, Witwe des Hofbankiers, und 20 Millionen schwer, muß ihr Vermögen in die kleine Monarchie pumpen. Also muß sie heiraten, und zwar einen Pontevendriner, damit das Vermögen im Lande bleibt. Johannes Zametzer verlegt Franz Lehárs „Witwe“ in unsere heutige Zeit. Und das, ohne daß das Werk auch nur den kleinsten Schaden nimmt, Staatspleiten sind ja keine Erfindung der Neuzeit. Den Besuchern der Uraufführung war der griechische Staatsbankrott von 1893 sicherlich noch in Erinnerung. Also hat die „Witwe“ auch heute einen aktuellen Zeitbezug.
In der pontevendrinischen Botschaft weiß man ob der finanziellen Probleme, aber man ignoriert sie und feiert ein rauschendes Gartenfest in der Umbaubaustelle. Der Champagner fließt in Strömen, Leichen im Pool werden genauso ignoriert, wie fächerbewehrte Nobelschneider. Man feiert sich, man genießt diesen Tanz auf dem Vulkan, denn wer weiß, was morgen ist. Und dann landen die 20 Millionen, und die gesamte Männerwelt stürzt sich auf sie wie eine Löwenmeute auf eine Gazelle. Die Männer kommen bei Zametzer nicht gut weg. Leicht debil, gierig und etwas ungeschickt sind die alle. Ganz im Gegensatz zu den Damen, die genau wissen was sie wollen, und vor allem, was sie nicht wollen. Da ist Valencienne, Gattin des Botschafters Baron Mirko Zeta, je öfter sie beteuert, daß sie eine anständige Frau ist, umso unglaubwürdiger wird sie. Ach ja, im Gegensatz zu Obst sind viele Frauen erst dann wirklich gut, wenn sie gänzlich verdorben sind. Und Cornelia Marschalls Valencienne ist ein ganz bezauberndes Früchten. Mit lyrischen Sopran, tänzerischer (Hoch)Begabung und gänzlich unsubtiler Erotik umgarnt sie nicht nur ihren Gatten, Gerald Fiedler gibt den Baron mit solch einer Präsenz, daß sängerische Mängel, er kommt ja auch vom Schauspielensemble, mehr als wettgemacht werden. Bei allem diplomatischen Geschick, die „diplomatischen“ Winkelzüge seiner Angetrauten erkennt er nicht. Hanna Assoluta! Der vom Baron bestimmte Mann für die Glawari ist Graf Danilo. Wiard Withold ist das Gegenteil der üblichen Danilodarstellung. Der 2-Meter-Schlaks orientiert sich eher an dem Ur-Danilo, und das war nicht Johannes Heesters. Louis Treumann spielte den Danilo als Komiker und Withold steht ihm in
Ja, und da ist noch sie. Sie, die 20 Millionen, die lustige Witwe. Angelina Ruzzafante lebt dieses kapriziöse Luxusweibchen. Selbstbewußt weiß sie, wie sie die Männerwelt steuern kann. Der voreheliche Kampf, das Aufwärmen einer, aus familiären Gründen gescheiterten Beziehung, mit Danilo wird zu einer köstlichen Kapriole.
Der Seine und der Liebe Wellen
Der zweite Akt führt dann nicht in den Palast der Glawari, sondern auf ihre Yacht im Pariser Hafen.
Die Party geht weiter
Im dritten Akt hat man dann den Garten der Botschaft wieder neu dekoriert. Das Dessauer Bühnenportal en miniature, mit dem Glitzervorhang aus „Moulin Rouge“ ist der Rahmen für die Grisetten. Angeführt von der bezaubernden Valencienne singen, tanzen und spielen sich die Damen des Balletts in hollywoodreifen Kostümen endgültig in die Herzen der Zuschauer. Zum Finale sind alle glücklich. Alle? Der Baron ist von der Treue seiner Frau überzeugt, Valencienne weiß dies zu nützen, Hanna hat endlich ihren Danilo, das kleine Land ist gerettet. Nur der Njegus, Danilos Sekretär, der sich im zweiten Akt als Sekretärin herausgestellt hat, geht leer aus. Aber beim Charme von Kristina Baran wird das sicher kein Dauerzustand sein.
Überragende musikalische Leistungen
Helmut Sonnes Chor zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen. Dieser Chor ist immer eine Augen-
Was für den Chor gilt, hat auch bei der Anhaltischen Philharmonie Gültigkeit. Unter Wolfgang Kluges Dirigat, spritzig und voller Klangerotik, unterstützen sie das Sängerensemble, bilden sie einen Klangteppich, auf dem es sich prächtig flanieren läßt. Die musikalische Leistung, die ausgeklügelte Regie von Johannes Zametzer, das Bühnenbild von Gerhard Mayer und das opulente Kostümbild von Katja Schröpfer machen diese Witwe sicherlich zu einem Dauerbrenner und Publikumsliebling der Dessauer und der vielen Theaterfans, die von weither anreisen, um First Class Theater zu erleben. Musikalische Leitung Wolfgang Kluge
Inszenierung Johannes Zametzer
Bühne Gerhard Mayer
Kostüme Katja Schröpfer
Choreographie Tomasz Kajdanski
Chor Helmut Sonne
Dramaturgie Sophie Walz
Baron Mirko Zeta, pontevedrinischer Gesandter in Paris Gerald Fiedler
Valencienne, seine Frau Cornelia Marschall
Graf Danilo Danilowitsch Wiard Witholt
Hanna Glawari Angelina Ruzzafante
Praskowia genannt „Njegus“, Sekretär Kristina Baran
Cascada Jan-Pieter Fuhr
St. Brioche Filippo Deledda
Bogdanowitsch Alexander Dubnov
Sylviane Anna-Maria Tasarz
Kromov Cezary Rotkiewicz
Olga Jagna Rotkiewicz
Pritschitsch Leszek Wypchlo
Grisetten
Lolo Anna-Maria Tasarz
Dodo Mélanie Legrand
Jou-Jou Annelies Waller
Frou-Frou Anna Jo
Clo-Clo Bobby Bernstein
Margot Charline Debons
Opernchor des Anhaltischen Theaters
Ballettensemble des Anhaltischen Theaters
Bilder von Claudia Heysel
Besuchte Vorstellung: Premiere am 3. November 2012
Weitere Informationen: /www.anhaltisches-theater.de
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