Pro oder contra Kultur?

Die Stadt Remscheid steht vor einer Entscheidung

von Frank Becker
Pro oder contra Kultur?
 
Die Stadt Remscheid
steht vor einer Entscheidung
 
Remscheid. Eine Stadt braucht ein Theater. Das wußten vor 62 Jahren die Stadtoberen von Remscheid, als sie 1950, fünf Jahre nach dem Krieg, zur Wiederbelebung der brachliegenden Kultur Wilhelm Michael Mund beauftragten, in der zerstörten Bergischen Stadt ein Schauspiel-Ensemble aufzubauen, das den theaterlosen Zustand durch Auftritte in Turnhallen, Schulen, Schloß Burg etc. beendete - bis 1954. Dann nämlich ließ man, als das Stadttheater wieder aufgebaut war, nach dem Prinzip „der Mohr hat seine Schuldigkeit getan…“ Mund und sein Ensemble fallen.
 
Mund aber machte weiter, gründete mit seiner Truppe das „Westdeutsche Tournee Theater“ und brachte fortan Theater-Kultur von Remscheid aus in die junge Republik. Unter seiner Intendanz wurde das WTT zu Remscheids etabliertem unabhängigen Theater. Nach seinem Tod 1980 folgten als Intendanten Jaschi Jaschinski und Wolfgang Eysold, dem Claudia Sowa folgte, die nun seit 2010 das durch verschiedene Krisen gegangene, geschrumpfte, aber dennoch engagierte kleine Theater leitet. Nicht zuletzt durch ihre Arbeit ist das WTT in den letzten Jahren auch zum wichtigen Faktor nicht nur des Schultheaters sondern auch der Integration von Generationen und Nationen geworden. Hier treffen sich Junge und Ältere, Eingesessene und aus dem Ausland Zugezogene zu Literaturkursen, Theaterwerkstatt und Mundartabenden. „Bergisch Bunt“ und „Offene Werkstatt“ sind Markenzeichen geworden.
Da das Stichwort gefallen ist: auch jetzt steuert das WTT wieder auf eine Krise zu, die nicht selbstgemacht, sondern den Kürzungsplänen der öffentlichen Hand geschuldet ist. Nachdem die Stadt, deren Kulturdezernent Dr. Christian Henkelmann sich zwar ebenso aufgeschlossen zeigt, wie die Parteien von sich einhellig behaupten, hinter dem WTT zu stehen, dennoch per Ratsbeschluß für Ende 2014 die kommunalen Mittel für den Betrieb des WTT rigoros gestrichen haben, sind dessen Füße mehr als tönern.
 
Damit fallen rund 25 % des Gesamtetats von 450.000 € weg, in realen Zahlen 97.650 €. Da die entsprechenden Landesmittel mit den kommunalen gekoppelt sind, würde nach dem jetzigen Stand auch die Landesfinanzierung von 45 %, also 202.500 € wegfallen – das Todesurteil für das Theater. Durch seine Vorstellungen in Remscheid und jährlich ca. 40 Gastspiele in ganz Deutschland von Osterode bis Rosenheim – insgesamt gibt das Ensemble mit nur fünf künstlerischen und vier weiteren Mitarbeitern 160 Vorstellungen pro Jahr, eine herkulische Leistung – erwirtschaftet das WTT 30% des Etats.
Eine Schließung würde nicht nur den Wegfall wichtiger kommunaler Kulturaktivität mit dem pädagogischen Ansatz als Alleinstellungsmerkmal bedeuten, sondern auch den Verlust von neun Arbeitsplätzen. Und auch der würde Remscheid Geld kosten.
 
Doch Claudia Sowa sieht Hoffnung, wenn auch eine zwischenzeitlich in die Überlegungen aufgenommene dauerhafte Zusammenarbeit mit dem Teo Otto Theater (Stadttheater) wieder vom Tisch ist: „Noch ist alles offen, denn die Fraktionen, Stadt und Land haben für 2013 weitere Gespräche zugesagt, nebenbei werden in Ruhe Verhandlungen mit Sponsoren potenziellen Partner geführt.“ Kulturausschußvorsitzender Karl-Heinz Humpert: „Das WTT hat bis Ende 2014 eine Schonfrist. Erst 2014 werden wir sehen, wie belastbar das neue Konzept von Frau Sowa ist, welche evtl. geringere kommunale Förderung im dann aktuellen Haushalt sich eventuell anbietet, damit die nicht unerheblichen Landesmittel erhalten bleiben können. Wir wollen dem WTT nicht den Todesstoß versetzen.“