Puderzucker

von Erwin Grosche

Foto © Markus Rick
Puderzucker
 
Durch Zufall hatte ich einen Puderzuckerstreuer in der Tasche. Ich hatte bei Herrn Weyher zwei Stückchen Apfelkuchen gekauft. Meiner Freundin wollte ich eine Überraschung bereiten. Sie zweifelte gerade an meiner Liebe, da mußte man mit süßen Argumenten überzeugen.
Wer von Herrn Weyhers Apfelkuchen abgeben kann, wird auch in freudlosen Tagen zu einem stehen. Herr Weyher gab mir dazu einen Puderzuckerstreuer mit, um den Kuchen vor dem Schlemmen zu versüßen. Der Punkt auf dem i. Mehr ein Ritual, als ein Muß. Sein Einsatz hatte auch mit Feingefühl zu tun. Ich lief also den ganzen Tag mit diesem Puderzuckerstreuer herum. Die  Menschen um mich herum ahnten nichts davon, wie ich ihr Leben verändern konnte. Eine tickende Puderzuckerbombe sieht anders aus. Welch eine Verantwortung, welch ein Gewicht. Das Leben mit der Versuchung hat schon manchen Menschen zerrüttet. Trotzdem, wir wachsen mit unseren Aufgaben. Jeder sollte einen Puderzuckerstreuer mit sich führen. Laßt das Handy zu Hause, nehmt einen Puderzuckerstreuer mit. Er kann in so vielen Situationen hilfreich sein. Ich traf mal einen schwarzen Hund, der nach unserem Treffen mit dem Streuer auch als Dalmatiner durchging. Danke, Puderzucker. In der Nacht schlief ich mit einer Frau, die mich nach einer Puderzuckerbehandlung vollständig befriedigt verließ. Danke, Puderzucker. Natürlich gab er auch Herr Weyhers Apfelkuchen eine himmlische Süße, die mehr will als nur gefallen. Sie hilft uns bei unserer Suche nach Wahrheit und Sinn. Meine Freundin zweifelt nicht mehr an meiner Liebe, zumal ich ihr auch noch mein Stück Kuchen zum Essen gab. Es beruhigte sie, daß sie einen Freund hat, der immer einen Puderzuckerstreuer bei sich hat. So kann man zusammen alt werden, ohne die Liebe zu verlieren.



© 2012 Erwin Grosche für die Musenblätter
Redaktion: Frank Becker
Wir danken Markus Rick für das treffliche Foto.