Kirche, Klo und Kälte

von Hanns Dieter Hüsch

© Jürgen Pankarz
Kirche, Klo und Kälte
 
Man sagt ja sowas ungern und auch im folgenden möchte ich eigentlich nicht, also, pietätlos sein, aber, daß so viele aus der Kirche austreten, das hängt ja doch oft mit der Steuer zusammen, weniger mit dem Glauben. Aber das ist Privatsache, das geht mich nix an. Aber, es könnt ja auch sein, habe ich neulich mal so für mich in einer ruhigen Stunde vermutet, daß viele nicht mehr in die Kirche gehen, Weil es da immer so kalt ist, also vielleicht nicht immer, aber so im Winter, wenn’s so ins Frühjahr geht. Im Januar, ja Sie werden lachen, in den meisten Kirchen, da ist es manchmal eiskalt, wie am Nordseestrand. Die Leute trauen sich ja kaum noch aus `m Mantel raus und wenn, dann holen sie den nach zwei Minuten wieder zurück, und Singen allein macht ja auch nicht warm. Und dann die ganze Beterei, da is noch kein Heizung von angegangen, soviel ich Weiß. Ich meine, gut, wenn´s ausverkauft ist, gut, wenn´s ausverkauft ist, ja, da stellt sich ja dann die natürliche Wärme von Mensch zu Mensch allmählich ein. Aber bis man´s dann so richtig gemütlich warm in der Kirche hat, ist doch der Gottesdienst schon wieder aus, nicht wahr! Ich weiß ja nicht, ob Sie in die Kirche gehen. Sie schlafen ja sicher sonntags morgens auch mal gern lang, kann man ja verstehen, wegen der Wärme, denn draußen ist es ja eiskalt. Ich kenne Schlafzimmer, da sitzt einem der Nordpol im Nacken. Die Bauern früher, die hatten ja auch keine Heizung im Schlafzimmer, da wurde gar keine Heizung installiert, Heizung im Schlafzimmer? Das ist doch krankhaft! Die sind ja dann auch meistens an Lungenentzündung hinterher eingegangen, die Bauern. Und dann noch in die kalte Kirche. Ich meine, vielleicht ist das ja in Ihrer Gemeinde alles anders, völlig anders. Herzlichen Glückwunsch. Aber wenn Sie dann mal wirklich austreten müssen, also nicht aus der Kirche, sondern nur aufs Klo müssen, ach du lieber Himmel! Selbst wenn Sie zu Hause noch mal rasch gehen, glauben Sie ja nicht, Sie können in der Kirche schon wieder gehen. Die meisten Kirchen haben nämlich gar kein Klo, und wenn, dann nur indirekt. Ich finde das ungeheuer, ich finde das ungeheuer! Grad Christentum hat doch mit Leib und Seele zu tun. Und nirgendwo steht geschrieben, so viel ich weiß, „Du sollst nicht müssen“, steht nirgendwo geschrieben. „Durch diese hohle Gasse muß er kommen - es führt kein anderer Weg zum Küster“, sage ich dann immer. Sie kennen ja das berühmte Schweizer Theaterstück. Aber jedesmal, wenn ich den Küster frage, ich frage meistens schon gar nicht mehr, aber wenn ich frage, „Wo ist denn hier das Klo?“ „Ja, das ist ein bißchen kompliziert. Da müssen Sie, ist es sehr dringend? Warten Sie mal, da müssen Sie, da gehen Sie am besten...“ Das ist katholisch oder evangelisch - alles dieselbe Leier, alles dieselbe Leier, „Da gehen Sie jetzt am besten, wenn Sie unbedingt müssen, hier durch die Sakristei, weil Sie es sind.“ Ja, was soll denn das jetzt wieder? Als wenn ich anders pinkele als die anderen! Weil Sie es sind, durch die Sakristei, dann die Wendeltreppe runter, dann kommt `n Kellergang - da steht ne Leiter und alte Farbtöpfe, und am Ende vom Gang da ist ein Holzverschlag, und links daneben ist eine Tür, da ist das Klo.“ Und dann stürzt man dann darunter, und das Klo ist natürlich besetzt, logisch. So `ne große Kirche, und so ein winziges Klo. Da packt man sich Gott weiß wohin. Warum kann man nicht am Eingang links und rechts zwei Klos hinbauen, zwei ökumenische Klos, das muß doch möglich sein. Wenn  das so weitergeht, dann stifte ich eins, mit meinem Namen - St. Abortus von Hanns Dieter Hüsch! 
 


© Chris Rasche-Hüsch
Veröffentlichung aus "Meine Geschichten" in den Musenblättern mit freundlicher Genehmigung
Die Zeichnung stellte freundlicherweise Jürgen Pankarz zur Verfügung.