Fingerübungen

Michael Zeller - "Die Selbstkritik von La Habana"

von Frank Becker
Fingerübungen
 
Es waren literarische Fingerübungen, Spielereien mit Wort und Sprache, die der damals 24 Jahre alte Literaturstudent Michael Zeller in seiner kleinen Schrift „Die Selbstkritik von La Habana“ auf dem Boden der Ende der 60er Jahre herrschenden politischen Verhältnisse und der Revolutionsromantik der Studentenbewegung unternahm. 43 Jahre später wiederentdeckt – ein Schubladenfund, schreibt der nachmalig vielfach ausgezeichnete Doktor der Philologie (zuletzt war es der Andreas Gryphius Preis 2011) - und nach großen, erfolgreichen Romanen mit einem gewissen Augenzwinkern erstmals veröffentlicht, entpuppt sich dieser Text als ein ironisch amüsanter, sprachlich und stilistisch eloquenter Ausflug in die Welt des literarischen Ausdrucks.

Man spürt das diebische Vergnügen des Autors an der süffisant archaisierenden Rezeption von im Studium verdauten Literaturen, seine kritische Auseinandersetzungen mit Ikonen der Zeit, deren Kunstnamen sie nicht vor Entlarvung schützen, denken wir nur an Dr. Anzengruber. Es ist schnell gelesen, dieses Heftchen, und es ist ebenso schnell wiedergelesen, denn zum vollen Genusse an den zierlichen Sätzen, gewundenen Formulierungen und delikaten Worten gehört die wiederholte Lektüre, zu voll davon ist die köstliche Schrift, um sie beim ersten glucksenden Lesen auszuschöpfen, sich daran beim ersten Zugriff alles auskostend erfreuen zu können.
Ironisch decouvriert Zeller seinen hoch- wie tiefstapelnden Felix Krull als halbwissenden Fant, wenn er ihn z.B. auf Seite 28 selbstgefällig gleich mehrfach Brentano falsch zitieren läßt: a. schreibt sich der zitierte Dichter Clemens Brentano ohne „von“ im Namen („von Brentano“ hieß der deutsche Außenminister 1955-61 im Kabinett Adenauer), b. heißt das jenem zugeschriebene Lied „Lore Lay“ und nicht „Loreley“ und c. zitiert er schließlich besagten Brentano mit den "Lorelei"-Versen Heinrich Heines. Wiegen wir das im nämlichen Fall für unseren Helden als läßlich, sitzt der Flaneur doch ohnehin bei der Niederschrift in einer Zelle, wo er sein Tun und Denken selbst zu wägen hat.

Ein Hochgenuß, dessen wohlgewählte Worte auf der Zunge zerschmelzen wie süße, luftige Konditorware - und eine herzliche Empfehlung der Musenblätter. Eine literarische Spielerei, die mit Schmunzeln unsere Auszeichnung, den Musenkuß verdient.

(…)
 
Wer hat dies Lied gesungen?
Ein Schiffer auf dem Rhein,
und immer hats geklungen
von dem Dreiritterstein:
Lore Lay
Lore Lay
Lore Lay
Als wären es meiner drei.
 
(Clemens Brentano)
 
 
Von Alfred Miersch in seinem NordPark Verlag in der Palatino gesetzt, auf feinstem Papier gedruckt, handgefalzt und handgenäht, liegt die 36-seitige Schrift nun als bibliophile Pretiose in der Reihe der Besonderen Hefte vor.
 
Michael Zeller – „Die Selbstkritik von La Habana im Jahr 1968“
© 2012 NordPark Verlag, 36 Seiten, ISBN 978-3-935421-94-2
6,50 €
 
Weitere Informationen: www.norpark-verlag.de