Das Leben ist ein Wunschkonzert

Jan Neumann inszeniert „Die Ehe der Maria Braun“ in Bochum

von Frank Becker

Foto © Frank Becker
In einem kühlen Grunde
oder
Das Leben ist ein Wunschkonzert
 
Rainer Werner Fassbinders Film
„Die Ehe der Maria Braun“
von Sascha Kölzow und Jan Neumann
in Bochum für die Bühne eingerichtet
 
 
Regie: Jan Neumann – Bühne: Daniel Angermayr – Kostüme: Nini von Selzam – Musik: Thomas Osterhoff – Licht: Wolfgang Macher – Dramaturgie: Sascha Kölzow
Besetzung: Bettina Engelhardt (Maria Braun) – Raiko Küster (Hermann Braun u.a.) – Katharina Linder (Mutter u.a.) – Maja Beckmann (Betti Klenze u.a.) – Max Landgrebe (Bill, Willi Klenze u.a.) – Roland Bayer (Karl Oswald u.a.) – Daniel Stock (Senkenberg u.a.)
 
Mit dieser komplex wirkenden, dennoch schließlich simplen Inszenierung eines Fassbinder-Stoffs wird das Bochumer Schauspiel einmal mehr seinem Ruf gerecht, Experimente zu wagen. Rainer Werner Fassbinders preisgekrönten Film „Die Ehe der Maria Braun“ mit begrenztem Personal und geringster Ausstattung auf eine verhältnismäßig kleine Bühne zu bringen, verlangt nicht nur allen Beteiligten viel Phantasie und auch körperlichen Einsatz ab, auch der Zuschauer wird in den zwei Stunden (keine Pause) erheblich gefordert.
Denn nichts geschieht in der Bochumer Inszenierung im Verborgenen, das Publikum wird für die sich immer wieder szenisch überlappenden zwei Stunden ohne Vorhang ständiger Augenzeuge aller Entwicklungen und Rollenwechsel der mehrfach besetzten Darsteller und sieht sich akustisch nicht immer zu- und aufeinander passenden Sprach- und Klangkollagen ausgesetzt. Menschen mit auch nur leichter Hörschwäche werden an dieser Inszenierung kaum Freude haben, Freunde Fassbinders auch nicht, zumal Regisseur Jan Neumann auf dessen klassisch pointierten Schluß pfeift und dem Stück ein versöhnlich überzuckertes, wenn auch ironisch überhöhtes Ende verpaßt.

Die Geschichte der Maria, die im Bombenhagel 1943 den Soldaten Hermann Braun heiratet, ihn nur einen halben Tag als Ehemann hat und nach Kriegsende irgendwann erfährt, er sei gefallen, soll exemplarisch für eine entwurzelte Frauengeneration nach 1945 sein. Diese Frau hier aber, so wollte es Fassbinder und so will es Neumann, macht aus einem harten Leben mit materieller Not, Prostitution, Inhaftierung und Abtreibung schließlich ihr Wunschkonzert. Ob die „Methode Braun“ nun für diese Generation stehen kann, darf angezweifelt werden. Aber es ist ein hervorragender Stoff. Die vermeintliche Witwe boxt sich durch, nicht zuletzt durch die Hilfe ihrer Liebhaber. Als ihr Mann doch zurückkehrt, sich mit dem GI Bill, der ihr Bett teilt, prügelt und sie den Soldaten erschlägt, nimmt Hermann die Schuld auf sich und geht, kaum aus der Kriegsgefangenschaft entlassen, erneut für viele Jahre ins Gefängnis. Maria macht derweil unter Einsatz von Körper und Intrigen Karriere, bis Hermann erneut in ihr Leben zurückkommt.


"Ich habe mich gemacht!" - Bettina Engelhardt als Maria Braun - Foto © Küster
 
Doch leider kann die umbauintensive Inszenierung, während der aus den symbolischen Trümmern der deutschen Gesellschaft auf bis an die Brandmauer offener Bühne erst die neue Republik, schließlich die Karikatur einer Hochzeitstorte entsteht, nicht im Ansatz der Filmvorlage genügen. Trotz starker Leistung des Ensembles können die hölzern in Szene gesetzten Figuren, abgesehen von Daniel Stocks Senkenberg und Katharina Linders Charakteren kaum überzeugen, bleiben allenfalls angerissen. Bettina Engelhardt als Maria Braun wurde arg zu schrill inszeniert, ihre kritiklos johlende Claque (und die der Regie) schien das aber nicht gemerkt zu haben. Jan Neumann hat sich und dem Stoff damit keinen Gefallen getan. Das Hurra-Geschrei für Bochums „Maria Braun“ scheint mir maßlos überzogen. Eine nur mäßige Inszenierung für einen großen Stoff.
 
Weitere Informationen: www.schauspielhausbochum.de