Zeitzeugnis und Menschenbild

Wolfgang Seifert - "Günter Wand – So und nicht anders"

von Frank Becker
Zeitzeugnis und Menschenbild
 
Die vor 15 Jahren vom Verlag Hoffmann und Campe vorgelegten Gedanken und Erinnerungen des großen Dirigenten Günter Wand  - aufgezeichnet von Wolfgang Seifert  - haben an Gültigkeit nichts verloren. Nach einer zweiten Auflage im Folgejahr (noch immer erhältlich) hat der Mainzer Musikverlag Schott vor fünf Jahren eine erweiterte broschierte Erfolgsauflage herausgebracht, die auch für den schmaleren Geldbeutel erschwinglich ist.

1912 war Günter Wand in Elberfeld als jüngster Sohn eines begüterten Geschäftsmanns zur Welt gekommen, hatte in Köln und München studiert und war über die Stationen Wuppertal, wo er als Korrepetitor arbeitete, Allenstein (Kapellmeister) und Detmold schließlich als erster Kapellmeister an die Kölner Oper berufen worden. Nach dem 2. Weltkrieg baute er in der völlig zerstörten Domstadt Kölns Musikleben neu auf und wurde 1949 dort GMD. In seine Kölner Zeit fallen neben einer Vielzahl von Plattenaufnahmen sensationelle Uraufführungen zeitgenössischer Musik von u.a. Bernd Alois Zimmermann und Olivier Messiaen. Wand dirigierte die Berliner und die Münchner Philharmoniker, war Chefdirigent in Wiesbaden und von 1982 an Chief Guest Conductor des BBC Symphony Orchestra, schließlich Hamburg, wieder mit ungezahlten Platteneinspielungen. Wuppertaler Konzertbesucher und Musikfreunde erinnern sich gerne der umjubelten Auftritte von Günter Wand mit dem NDR-Sinfonieorchester, dessen Chefdirigent er von 1982-1991 war und dessen Ehrendirigent er bis zu seinem Tod blieb. Günter Wand starb 2002, wenige Wochen nach seinem 90. Geburtstag, in seinem Schweizer Domizil.

Zuletzt im Dezember 1997, da schon deutlich vom Alter gezeichnet, doch von ehrfurchtgebietender Haltung, davor im April 1997 und im Januar 1996 dirigierte Wand in seiner Geburtsstadt auf Einladung der Konzertgesellschaft Wuppertal Symphonien von Bruckner, Beethoven und Brahms. Eine große Karriere, die eines „Schwierigen“ - gradlinig im Wesen und detailtreu in der Interpretation. Das kundige Buch des promovierten Musikwissenschaftlers Seifert, der öffentliche und private Archive durchforstet und Günter Wand bis ins Kleinste interviewt hat, läßt nichts aus und ist spannende wie auch unterhaltsame Lektüre zugleich. Einzig die Überfülle an Fußnoten wirkt sich ein wenig belastend aus, stört den Lesefluß. Dennoch ist der Band unbedingt empfehlenswert, zeichnet er doch neben einem beachtlichen Musikerleben zugleich deutsche Geschichte und ein wichtiges Stück Musikhistorie auf. Erschlossen durch Diskographie und Register ist Seiferts autorisierte Wand-Biographie Zeitzeugnis und Menschenbild.
 
 
Günter Wand – "So und nicht anders"

© 1998 Hoffmann und Campe, 2. Aufl., 527 Seiten, mit zahlreichen Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 21,5 cm, Gebunden, Deutsch ISBN-10: 3455111548, ISBN-13: 9783455111545
39,95 €

© 2007 Deutsch Schott Music, Mainz, Erw. Neuausg., 562 Seiten, 40 Schwarz-Weiß-Abbildungen, Maße: 12,3 x 18,8 cm, Kartoniert (TB), ISBN-10: 325408411X - ISBN-13: 9783254084118
17,95 €