Nach Berlin!

"Berlin – Die Sinfonie der Großstadt" - Ein Stummfilm-Klassiker mit dem Sinfonieorchester Wuppertal unter Mark-Andreas Schlingensiepen

von Frank Becker

Nach Berlin!

Eindrucksvolle Bilder – Mitreißende Klänge
"Berlin – Die Sinfonie der Großstadt"
 
Ein Stummfilm-Klassiker mit dem Sinfonieorchester Wuppertal
unter Mark-Andreas Schlingensiepen
 
Die Stummfilm-Konzerte des Sinfonieorchesters Wuppertal, seit Jahren mit großem Erfolg in der prächtigen Wuppertaler Historischen Stadthalle von Mark-Andreas Schlingensiepen geleitet, haben sich zum Publikumsmagneten entwickelt. Schlingensiepen hat in den vergangenen Jahren zum Saisonschluß und -höhepunkt mit Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“, Lotte Reinigers „Prinz Achmed“, Sergej Eisensteins „Panzerkreuzer Potemkin“ und Charles Chaplins „The Circus“ nicht nur genreübergreifend Cineasten und Konzertliebhaber zusammengebracht, er hat auch für volle Säle und ein lebendiges Presseecho gesorgt. Denn nicht nur in Wuppertal führt der filmbegeisterte Dirigent seine hervorragenden Stummfilm-Vertonungen auf, auch anderenorts reißt man sich um die begehrten Abende.
 
Nun also „Berlin – Die Sinfonie der Großstadt“, 1927 quasi an der filmhistorischen Nahtstelle zwischen Stummfilm und Tonfilm von Walter Ruttmann gedreht und schon zur Uraufführung mit der eigens von Edmund Meisel komponierten Musik ausgestattet. Schlingensiepen hat die verloren gegangene Orchesterpartitur einfühlsam nach einem erhalten gebliebenen Klavierauszug rekonstruiert und meisterlich mit dem ebenfalls rekonstruierten und restaurierten, etwa 65 Minuten währenden Film zu einem Gesamtkunstwerk verschmolzen. Ruttmann fing in fünf Kapiteln bewegter Bilder ein, was den besonderen Charakter der großen Stadt zwischen Urbanität und Idylle, Betriebsamkeit und Stillstand ausmachte. „Nach Berlin!“ – Das dynamische Werbe-Plakat von Fritz Rosen aus dem Jahr 1926 und die zwischen 1919 und 1933 entstandenen Fotos von Willy Römer aus dem Berliner Alltag zeigten das zur gleichen Zeit. Ruttmann nahm Berlin als Synonym für die Großstadt an sich, ohne die erklärte Absicht, ein explizites Berlin-Portrait zu skizzieren. Die Eigenart dieser einzigartigen Stadt jedoch ließ er Bild für Bild, Sequenz für Sequenz deutlich werden.   
 
Vom morgendlichen Erwachen, durch das eine Katze auf menschenleerer Straße streicht, über den pulsierenden Berufsverkehr von Doppeldeckerbussen, S-Bahn, Straßenbahn und Eisenbahn, dazwischen noch viele Pferdefuhrwerke, den damals z.T. noch ländlichen einerseits, andererseits maschinenhämmernden Alltag andererseits, bis zum abendlichen Vergnügen in Kinos, Varietés, Bars und Tanzpalästen Groß-Berlins bleibt in raffiniert geschnittenen und sorgfältig inszenierten Bild-Sequenzen kein Aspekt ausgespart. Das Badevergnügen am Wannsee, der Grunewald als Naherholungs-Gebiet mitten in der Stadt, aktuelle Mode, die glitzernden Schaufenster und Leuchtreklamen, Kinder beim unschuldigen Spiel und die geschäftige Stadt, die damals nur wenige Atemzüge vor der Weltwirtschaftskrise auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung nach dem 1. Weltkrieg war, bilden eine phantastische Kulisse für die punktgenaue Musik Edmund Meisels.
 
Mark-Andreas Schlingensiepen, dessen informative Konzert-Einführung, ebenfalls vor vollbesetztem Saal, tiefer gehendes Verständnis für dieses Gesamtkunstwerk vermittelt hatte, leitete das groß besetzte und hoch motivierte Wuppertaler Sinfonieorchester sensibel und dramatisch durch das Berlin der Zwanziger Jahre. Der Abend ließ vor zunächst atemlosem, schließlich begeistert jubelndem Publikum noch einmal die pulsierende Metropole Berlin, damals – und heute langsam wieder - das kulturelle und gesellschaftliche Herz Mitteleuropas, in ihrer ganzen Lebendigkeit aufleben.
 
Weitere Informationen: www.schlingensiepen.info

Der ganze Film mit sinfonischer Begleitung: www.youtube.com/

Film-Eindrücke: http://www.youtube.com/  und  http://www.youtube.com/