Der Künstler und die Macht
Jürgen Trimborn legt die erste Biographie über Hitlers Lieblingsbildhauer, den aus Wuppertal stammenden Nazi-Künstler Arno Breker vor Daß das Interesse am sog. Dritten Reich auch Jahrzehnte nach seinem Untergang anhaltend ist, zeigen nicht nur die fatalen Umtriebe der Neo-Nazis, sondern auch die Geschichtssendungen Guido Knopps und anderer, die unentwegt über die deutschen Bildschirme flimmern. Hinzu kommt eine anschwellende Flut von Büchern, die die nationalsozialistische Vergangenheit in ihren vielfältigen Facetten aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln aufzuarbeiten versuchen. Gemessen an der Gesamtmenge dieser Publikationen ist die Zahl der Veröffentlichungen, die sich mit der Bildenden Kunst im Dritten Reich befassen, verschwindend klein. Um so mehr zog der Berliner Aufbau Verlag die Aufmerksamkeit auf sich, als er im letzten Jahr eine große Biographie des „Lieblingsbildhauers des Führers“ auf den Markt brachte. Ihr Titel: „Arno Breker. Der Künstler und die Macht“; ihr Autor: der Kunsthistoriker Jürgen Trimborn. Ein Opus Magnum: 712 Seiten, der Anmerkungsapparat allein 115 Seiten, das Personenregister immerhin noch 13 Seiten.
Gespenstische Szene
Das macht neugierig, und so nimmt man das Buch mit hochgespannten Erwartungen zur Hand. Es beginnt mit einem Prolog, in dem Trimborn eine gespenstische Szene schildert, nämlich Hitlers unangekündigten dreistündigen Parisbesuch im Morgengrauen des 23. Juni 1940, unmittelbar nachdem Frankreich kapituliert hatte. Begleitet wurde der „Führer“ auf seiner Fahrt durch die
Mit seiner passagenweise spannenden Darstellung gelingt es dem Autor, minutiös zu zeigen, wie Breker (geb. 1900, gest. 1991) im Hitler-Faschismus zum privilegierten und einflußreichen Staatskünstler werden konnte, um dann nach 1945 einen jähen Absturz zu erleben und dennoch seine Arbeit als Bildhauer bis zu seinem Lebensende mit Hilfe alter Seilschaften und dank neuer Protektoren fortführen zu können.
Lehrjahre in Elberfeld und Düsseldorf
Das Buch ist in zehn Großkapitel gegliedert, beginnend mit „Lehrjahre (1900-1927)“ bis zum Schlußkapitel „Zwischen Anerkennung und Ablehnung (1979-1991)“. Trimborn skizziert detailreich Brekers familiären Hintergrund als Sohn eines Elberfelder Steinmetzmeisters, seine Lehrjahre im väterlichen Betrieb, sein – zeittypisches – Engagement im Wandervogel, seine ihn tief
Zwischen Paris, Rom und Berlin
Als Breker im Sommer 1933 von Rom nach Deutschland zurückkehrte, hatte hier mit der Machtübernahme durch die Nazis eine „neue Zeit“ begonnen. Gleichwohl verkehrte der Künstler in Berlin vorläufig noch in Kreisen von Künstlern, Intellektuellen und Sammlern (auch jüdischen), die dem Nationalsozialismus kritisch gegenüberstanden. Seit 1935 scheint sich Breker dann mehr und mehr den neuen Machthabern, von denen er zunehmend Aufträge erhielt, angenähert zu haben. Den entscheidenden Karrieresprung markierten seine anläßlich der Olympischen Spiele 1936 für das Berliner Reichssportfeld geschaffenen Figuren „Die Siegerin“ und „Zehnkämpfer“. Letztere fand Hitlers begeisterte Zustimmung. Breker wurde dem Diktator vorgestellt, der ihn zu seinem „Lieblingsbildhauer“ erkor und ihm schon 1937 den Professorentitel verlieh. 1937 war auch das Jahr, in dem der Bildhauer in die NSDAP eintrat. Daß er nach 1945 stets behauptet hat, nie Parteimitglied gewesen zu sein, gehört zu jenen peinlichen Strategien des Verschweigens, Verleugnens und Verdrängens, derer sich später mancher Altnazi mehr oder minder erfolgreich bedient hat.
Faszination der Macht
Trimborn zeigt detailliert, wie Breker zum Parteigänger der Nationalsozialisten, zum Protegé des
Neu ist dagegen die überaus faktenreiche Darstellung, wie Breker in den Kriegsjahren zunehmend der Faszination der Macht verfiel und sich als „Hofkünstler“ Hitlers dem NS-System nicht nur passiv auslieferte, sondern an maßgeblicher Stelle aktiv an dessen propagandistischer Selbstinszenierung mitwirkte und dabei enorme Privilegien genoß, von abenteuerlich hohen, steuerfreien Künstlerhonoraren bis hin zu „arisierten“ Luxusimmobilien. Auch beschäftigte er in den „Steinbildhauerwerkstätten Arno Breker GmbH“ in Wierzen an der Oder zahlreiche ausländische Zwangsarbeiter, die die Entwürfe des Bildhauers großmaßstäblich umzusetzen hatten und die keineswegs so gut behandelt wurden, wie der Künstler nach dem Krieg glauben machen wollte. Interessant wäre es gewesen, mehr über die konkrete Organisation des Werkstattbetriebs und die technische Durchführung der dem Größenwahnsinn geschuldeten Skulpturenprojekte Brekers zu erfahren, doch bleibt die Darstellung Trimborns in dieser Hinsicht wenig ergiebig.
„Braune Gesinnung“ auch nach 1945
Fast 270 Seiten widmet der Autor der zweiten Lebenshälfte Brekers, die zeitlich exakt mit dem Ende
Jürgen Trimborns Buch ist als Beitrag zur Aufarbeitung der Kunst im Dritten Reich ohne Frage verdienstvoll. Insbesondere wenn man bedenkt, daß die Familie Breker dem Autor die Auswertung des Nachlasses verweigert hat, ist die Fülle des von ihm herangezogenen, bis dato noch unerschlossenen Quellenmaterials beeindruckend. Ermüdend ist zuweilen allerdings die den Enthüllungsjournalismus streifende Tendenz des Autors, Breker in jedem Fall zu „entlarven“ und ihn als karrierebesessenen, unmoralischen Opportunisten hinzustellen. Und ein erhebliches Manko des Buches, dessen magere Bebilderung kaum befriedigt, ist die Tatsache, daß es dem promovierten Kunsthistoriker nicht gelingt, mit Hilfe substantieller Kriterien das Œuvre Brekers in angemessener Weise kunstwissenschaftlich auszuloten und eine differenzierte ästhetische Wertung vorzunehmen. Breker letztlich nicht als Künstler, sondern eher als talentierten Handwerker zu präsentierten, der sich durch das NS-Regime korrumpieren ließ, dürfte der Komplexität der Sache nur sehr bedingt gerecht werden.
Jürgen Trimborn: Arno Breker. Der Künstler und die Macht. Die Biographie. Aufbau Verlag, Berlin 2011, 712 S., 29,99 €
Weitere Informationen: www.aufbau-verlag.de
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