Spannung 2012 (1)

Krimis - empfohlen

von der Musenblätter-Redaktion

Foto © Frank Becker
Hochspannung (1)

Krimi-Empfehlungen
der Musenblätter-Redaktion


Was wollen wir in den Ferien tun? Eigentlich ja nichts. Nichts, außer im Liegestuhl, in der Hängematte, auf dem Strandlaken oder auf dem Balkon den Tag verdämmern, ausruhen, mal richtig faulenzen - und Krimis lesen. Das geht auch und vielleicht sogar noch besser an ungemütlichen Urlaubstagen, wenn der Regen an die Scheiben und aufs Dach des Ferienhäuschens prasselt und man sich genüßlich einigelt. Die Redaktion der Musenblätter hat für Sie und für jeden Geschmack einige aktuelle Titel zusammengestellt, deren Lektüre Ihnen das süße Nichtstun mit Spannung würzen wird. Viel Vergnügen - und gute Erholung!

Keine Kompromisse

Einem todkranken Profikiller bleibt nicht mehr viel Zeit zum Leben. Überdies ist es sowieso verfuscht. Also kennt er auch keine Gnade, nicht für sich selbst, nicht für aufmüpfige Mittäter und schon gar nicht
für seine Zielperson. Doch da ist Johanna di Napoli vor. Die unangepaßte Zürcher Kriminalbeamtin kämpft gegen ihr Alkoholproblem, gegen unfähige Kollegen, vor allem aber gegen zuviel Papier. Man hat sie auf einen Bürojob abgeschoben. Sie soll sich um Drohbriefe kümmern, die einige deutsche Staatsbürger erhalten haben. Die leben und arbeiten in der Schweiz, sind dort aber nicht gerade beliebt. Michael Herzig versteht es ausgezeichnet, die Schweizer Seele sarkastisch bloßzulegen, wobei die Fremdenfeindlichkeit nur vordergründiges Thema ist. In seinem spannungsgeladenen Krimi,
bei dem auch die Geheimdienste eine unrühmliche Rolle spielen, geht es um Mafiakriminalität, Korruption, Lobby- und Atomwirtschaft. Mittendrin seine Kommissarin Johanna di Napoli, deren zerrissener Charakter die Leser leiden und sie letztendlich triumphieren läßt. Klasse geschrieben. Unbedingt empfehlenswert. (jk)

Michael Herzig: "Töte deinen Nächsten"
, Kriminalroman
2012 GRAFIT Verlag GmbH, Hardcover, 288 Seiten, € 19,99 (D), € 20,60 (A), sFr. 28,90 (Ch)
www.grafit.de

Eine ehrenwerte Gesellschaft

Die Mafia hat - wie auch anders - auch in Leonardo Sciascias aus dem Jahr 1961 stammenden
Sizilien-Krimi "Jedem das Seine" die schmutzigen Hände im Spiel. Zwei Männer werden auf der Jagd erschossen. Kein Jagdunfall, müssen die Carabinieri konstatieren - es war Mord. Und ein Drohbrief hatte zwei Tage zuvor den Apotheker in Unruhe versetzt. Doch vor der Lösung wer und warum man den Mord an Apotheker Manno und seinem Jagdbegleiter Dr. Roscio begangen hat, müssen die überforderten Polizisten und ihr Maresciallo scheitern. Beide Toten waren doch angesehene und kreuzbrave Mitglieder der bürgerlichen Gesellschaft des Ortes - oder vielleicht doch nicht? Das Schweigen und Schulterzucken der Honoratioren macht die Aufgabe nicht leichter. Nur der etwas eigenwillige Lehrer Paolo Laurana, mag das nicht hinnehmen und geht auf eigene Faust den sich als höchst gefährlich erweisenden Spuren nach.
(bec)

Leonardo Sciascia: "Jedem das Seine",
Kriminalroman
2012 Wagenbach Verlag WAT 687, 144 Seiten, broschiert - aus dem Italienischen von Arianna Giachi ISBN 978-3-8031-2687-0  -  9,90 €
www.wagenbach.de

Krumme Geschäfte
 
In einem kleinen Ort bei München entdeckt man vor einem italienischen Restaurant die gefesselte
Leiche des Journalisten Wolfgang Fischer im Kofferraum eines Autos, wo er qualvoll umgekommen ist. Der Strick, mit dem er gefesselt und geknebelt wurde, hat ihn qualvoll stranguliert. So arbeitet die Mafia, um Feinde zu bestrafen, weiß Kommissar Hohnleitner von der Münchner Mordkommission. (Die sind ja wohl überall, auch im ländlichen Oberbayern unter Generalverdacht, Anm. d. Red.) Oder haben die dubiosen Chinesen vom Restaurant gegenüber etwas damit zu tun? In der Digitalkamera, die das Opfer bei sich hatte, finden sich lediglich unspektakuläre Landschaftsaufnahmen und als Kontrast das Bild einer jungen Chinesin. Weil die Bilder die einzige Spur sind und der Schlüssel sein könnten, setzen Hohnleitner und sein Kollege Jenkac dort an. Geht es evtl. um kriminelle Immobiliengeschäfte? Ein griffig geschriebener Krimi mit Unterhaltungswert, bei dem auch Gefühle nicht zu kurz kommen, denn der Kommissar lernt bei seinen Ermittlungen die attraktive Anna Ramsauer kennen, die Farbe in sein stagnierendes Privatleben bringt. (bec)

Otger Holleschek: „Drecksäu“  
- Kriminalroman
2012  Piper Taschenbuch 7422, 224 Seiten, kartoniert, ISBN: 9783492274227
€ 8,99 [D], € 9,30 [A], sFr 13,90
 
Apokalypse
 
 „Die Strafe Gottes“, das Roman-Debüt von Thomas Pollan, dessen Webseite
www.thomaspollan.com merkwürdigerweise im Internet nicht aufgerufen werden kann, ist ein so spannender Thriller, daß man gelegentlich bei der Lektüre das Atmen vergißt. Ein echter Lehnenkraller. Das ist vor allem so, weil die grauenhaften Vorgänge und ihre Folgen für die Welt in all ihrer Skrupellosigkeit jedem informierten Leser zunehmend möglicher erscheinen müssen, schaut man auf einige sich vermutlich im Besitz fürchterlicher Biowaffen befindenden Staaten der zerfallenen Sowjetunion, auf die heutigen Vasallen Russlands und auf die unaufhaltsam zurück in die Steinzeit fallenden Staaten des islamischen Lagers. Denn kriminelle, politisch skrupellose und fundamentalistisch religiöse Täter, die alles tun würden, um ihre Ziele zu erreichen, gibt da wie dort.
Verlagstext: „Der Abschluß der UNO-Biowaffenkonvention ist ins Stocken geraten. Die Entwicklungsländer, angeführt von der belarussischen Regierung, blockieren die Verhandlungen. Alle Hoffnungen, die weltweiten Biowaffenarsenale doch noch unter internationale Kontrolle zu stellen, liegen jetzt auf einem Mann: Jack Wilda. Er war einer der besten Männer der UNO – bis ihm während seiner letzten Mission im Sudan alles genommen wurde, was ihm lieb war. Seither ist er ein wandelndes Wrack, ausgeliefert seinen Launen und Panikattacken. Wilda läßt sich auf den Fall ein und ahnt bald, daß die politische Blockade nur der Anfang eines größeren Plans ist. Welches schmutzige Geheimnis verbergen der belarussische Staatschef und seine kaltblütige Tochter? Welche Rolle spielt der ominöse Oligarch? Was hat es mit den Gerüchten von ex-sowjetischen Biowaffenlabors auf sich? Aber Wilda scheint zu spät zu kommen, denn plötzlich bricht in Europa die Pest aus…(sab)

Thomas Pollan: "Die Strafe Gottes"
- Thriller
2011 Salis Verlag, 326 Seiten, gebunden, Lesebändchen, ISBN 978-3-905801-43-9
€ 24.90 / CHF 38.80

Mord im Pfarrhaus

Seit einiger Zeit entdecken Autoren das Ruhrgebiet oder wie man früher in einer widersprüchlichen
Mischung achtungsvoll-geringschätzig sagte: den Kohlenpott vor der historischen Kulisse aus der Zeit des florierenden Bergbaus nach 1945. Lebenserinnerungen, Romane mit romantisch verklärtem Zeitkolorit und hervorragende Kriminalromane vor dem noch nachklingenden zeitgeschichtlichen Hintergrund lassen vor den Augen ihrer Leser diese einzigartige Industrie- und Kulturlandschaft noch einmal in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung für das Land, ihrer Geschäftigkeit, ihrem spröden, verrußten Charme auferstehen. Die Theologin Anne-Kathrin Koppetsch, Pfarrerin in Dortmund, nutzt ihre eigene Biographie und Kenntnisse für ein ungewöhnliches Krimi-Tableau. 1965: Pastor Hanning, Kollege von Martha Gerlach, einer der ersten Dortmunder Pfarrerinnen, kommt im Pfarrhaus durch eine Kohlenmonoxid-Vergiftung ums Leben. Die Kripo glaubt zunächst an einen Unfall. Martha Gerlach, "Dat Frollein Pastor", aber nicht. Mit der Hilfe von Bibelstellen, der Diakonisse Schwester Käthe, des Lokal-Reporters Luschinski und der Trinkhallen-Besitzerin Trudi hakt sie im Umfeld des Toten nach, der offensichtlich einige "Leichen im Keller" hatte, bis auch Kommissar Kellmann neugierig wird. Die Autorin zeichnet Lokalkolorit, Stimmung und authentisches Personal (man beachte die Namen) bodenständig und unterhaltsam. Liest sich prima. (ros)

Anne-Kathrin Koppetsch: „Kohlenstaub“ - Historischer Kriminalroman
2012 Emons Verlag, 176 Seiten, Broschur, ISBN 978-3-89705-928-3
Euro 9,90 [D] , 10,20 [AT]