Ein Herz und eine Seele

Zurück in die 70er mit Alfred Tetzlaff und Georg Troeger

von Frank Becker

Georg Troeger, Christiane Rücker
Zurück in die 70er
 
Ein Herz und eine Seele
 
Komödie nach der Fernsehserie
von Wolfgang Menge
 
Inszenierung: Hans Thoenies – Ausstattung: Horst Neumann
Besetzung: Georg Troeger (Alfred Tetzlaff) – Christiane Rücker (Else Tetzlaff) – Ariane Ott (Rita Graf) – Tom Keidel (Michael Graf) – Alexander Kurczyk (Ober)
 
Insgesamt 25 Episoden der von Wolfgang Menge (*1924) nach einer Idee von Johnny Speight geschriebenen Fernsehserie „Ein Herz und eine Seele“ wurden zwischen Januar 1973 und November 1976 zunächst vom WDR, später von der ARD produziert und ausgestrahlt. Sicher auch wegen der Idealbesetzung mit Heinz Schubert (1925-1999) als spießig konservatives Ekel Alfred Tetzlaff, ein mit Vorurteilen überladener Chauvinist, Elisabeth Wiedemann (*1926) als seine etwas schlichte, dennoch gewitzte und in sich ruhende Frau Else, Diether Krebs (1947-2000) als sozialdemokratischer Schwiegersohn mit ironisch-bissiger Distanz und Hildegard Krekel (*1952) als patente, lebensbejahende Tochter mit einer ausgewogenen Portion Sex-Appeal wurde die Serie ein Straßenfeger. Als in der zweiten Staffel umbesetzt wurde (Klaus Dahlen ersetzte Diether Krebs und Helga Feddersen kam für Elisabeth Wiedemann) war trotz Heinz Schuberts Genie und Hildegard Krekels Charme bald die Luft raus, das Publikumsinteresse schwand schnell und „Ein Herz und eine Seele“ wurde eingestellt.
 
Kopie = Original

Einige Folgen der Serie in der Urbesetzung aber waren zu beliebten Standards mit Ewigkeitswert geworden und fanden feste Sendeplätze für jährliche Wiederholungen. Dazu gehörten „Die Silberhochzeit“ vom April 1973 und „Der Silvesterpunsch“ vom 31. Dezember 1973. Diese beiden Fernsehfilme hat Wolfgang Menge zu einem Bühnenabend zusammengestellt, an dem sich schon etliche kleine Ensembles versucht haben. Am Theater im Rathaus Essen hatte eine von Hans Thoenies inszenierte Version am Freitagabend vor vollem Haus Premiere – und legte den Beweis für das kaum möglich gehaltene vor: es geht! Die vier stets unter dem Druck des Vergleichs mit dem Original agierenden Schauspieler brachten das Kunststück fertig, sich aus dem Schatten der 1973er Tetzlaffs herauszuspielen und der Kopie – es muß einfach eine Kopie sein, sonst wäre der Biß weg – den Beigeschmack des Abgekupferten zu nehmen. Eine
Fälschung" würde nie funktionieren, es muß das Original sein. Die politischen Verhältnisse und zeit- und kulturgeschichtlich typischen Zusammenhänge und Verhältnisse wurden so gelassen, wie sie vor 40 Jahren eben waren. Eine Geschichtsstunde. Das ist klug getan.
 
Tetzlaff/Schubert/Troeger - Superstar

Wie in der Fernsehfassung ist natürlich Alfred Tetzlaff, der halbgebildete Widerling, das Ekel

Georg Troeger, Tom Keidel
schlechthin - nicht nur der Familie gegenüber – Dreh- und Angelpunkt. Mit der Darstellung dieses widerborstigen Charakters steht und fällt eine solche Aufführung. Georg Troeger hat ganz offensichtlich bis ins kleinste Detail recherchiert, Heinz Schubert und seine Figur, den Kotzbrocken genauestens studiert und legte einen Tetzlaff hin, der zu seinem unmöglichen Original wie ein eineiiger Zwilling steht. Troeger spielt Schubert spielt Tetzlaff a la bonheur. Das war schon weit mehr als die halbe Miete. Horst Neumanns dem Fernseh-Bühnenbild getreu folgende Ausstattung der 70er Jahre eines aus den 50ern stammenden Haushalts tat zum Wiedererkennen – denn das ist der Sinn der Übung - ein Weiteres. Fehlen noch die drei ebenfalls höchst individuellen Charaktere, mit denen der Tetzlaffsche Haushalt komplett wird: Else, von Alfred als „dusselige Kuh“ tituliert, was sie anscheinend an sich ablaufen läßt, aber doch darunter leidet. Christiane Rücker, in den 60ern und 70er durch ihren ungeheuren Sex-Appeal eine der aufregendsten Frauen des deutschen Films und auch stets so besetzt, ist in den Hauskittel geschlüpft, sich auch für Lockenwickler nicht zu schade und zeigt eine etwas weniger forsche Else als die Weidemann. Doch sie entledigt sich der diffizilen Aufgabe – sie ist immer noch eine höchst attraktive Frau – mit Anstand und leisem Humor.

Ariane Ott gelingt Ritas alter ego

Ariane Ott ist zwar nicht ganz so frech wie weiland Hildegard Krekel, aber in ihren phantastischen 70er-Jahre-Kleidern, Lackstiefeln, Plateausohlen und Super-Mini und der selbstbewußten Haltung

Ariane Ott - Foto © Daniel Hass
durchaus ein alter ego der Figur der Rita. Als mit den Füßen fest auf dem Boden stehende junge Frau in einer sich erneuernden Gesellschaft und als moderate Mittlerin innerhalb der streitlustigen Familie macht Ariane Ott dabei eine erstklassige Figur. Daß sie auch eine Augenweide, ein echter Hingucker ist, sei am Rande erwähnt. Bleibt Tom Keidel als Michael Graf. Er kommt im Vergleich mit den Original-Charakteren zwar nicht direkt schlecht, aber insgesamt am wenigsten gut weg. Den lakonischen Biß, den Diether Krebs seinerzeit dem Michael gegeben hatte, die latente, gelegentlich verbal durchbrechende Verachtung, die er für den im Grunde nicht für voll genommenen Schwiegervater empfindet, kann Keidel nicht so vermitteln, wie man es sich wünscht.
 
Allen zuvor gehegten Zweifeln zum Trotz (man muß zunächst einfach mißtrauisch sein, wenn Kult kopiert wird) ist die Bühneninszenierung von Wolfgang Menges „Ein Herz und eine Seele“ in Essen mit alternativem Personal ein knackiger Knüller von gut verdaulichen knapp zwei Stunden inkl. Pause - und unbedingt zu empfehlen.
Das Stück wird noch bis zum 30. Juni in Essen gespielt.
 
Informationen und Karten:
Mo-Fr 10-18.30 Uhr, Sa 10-13 Uhr
Fon:    0201 – 24 555 55
Fax:    0201 – 24 555 99
 
Weitere Informationen: www.theater-im-rathaus.de