Spuren der Jugend

Margit Kruse - "Im Schatten des Turms"

von Frank Becker
Spuren der Jugend

In die 70er Jahre, als es zwischen Förderanlagen und Zechensiedlungen noch Tante Emma-Läden, Trinkhallen, Middle of the Road und Cat Stevens, aber schon Opel Manta, Ford Capri und Afro-Look gab, fällt die Jugend von Margit Kruse. "Im Schatten des Turmes" hat sie ihre Erinnerungen betitelt, gemeint ist ein Wahrzeichen Gelsenkirchens, das turmartige Gebäude, das die Siedlung bewachte, in der sie groß wurde. Exemplarisch für viele Adoleszenzen in einem Ruhrgebiet zwischen Fördertürmen, das es so schon lange nicht mehr gibt, erzählt Margit Kruse deutlich autobiographisch vom Erwachsenwerden, Pubertät mit Übergewicht, erster glühender Liebe, ersten erotischen Erfahrungen, kuriosen Kuren in der fränkischen Provinz und Urlaub in Holland, der berühmten "Schale" (Currywurst und Pommes), von Betriebsfeiern mit viel Alkohol, vom Führerschein und von schmierigen älteren und unreifen jüngeren Galanen. Margit Kruse schreibt so unmittelbar und ungekünstelt, daß man "dabei" ist. Sie schafft es, die Atmosphäre ihrer Zeit mit dem markanten  gesellschaftlichen Umfeld und seinen Erscheinungsformen, ihre Jugend, ihre Lehre und allerlei Liebeleien, dazu Eltern, Nachbarn, Freunde und Kollegen so treffend einzufangen wie mit einem Fotoapparat. Mit ihr erinnert sich der Rezensent an Schlager und Filmtitel, Rasierwasserdüfte und modische Narreteien, an Markennamen von Getränken und ans Zonengrenzrandgebiet. Daß ein damals beliebter Schnaps allerdings "Dornkaat" hieß, hätte zumindest der Lektor wissen müssen.Lohnende Lektüre für 70er-Jahre-Nostalgiker.
 
Margit Kruse - "Im Schatten des Turmes - Eine Jugend im Ruhrgebiet", © 2009 Sutton Verlag, Reihe Heimatarchiv, 190 Seiten, Broschur, 12,95 €
Weitere Informationen unter: www.suttonverlag.de