Der Rheinländer und die Religion

von Konrad Beikircher

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Der Rheinländer und die Religion
 
Der Rheinländer hat ein ganz spezielles Verhältnis zur Religion, nein, kein spezielles, ein ganz persönliches. Nie wird ein Rheinlander sagen: "Dä Herrjott". Immer sagt er: "Minge Herrjott" oder "Uns Herrjott". Ist er ihm wohlgesonnen, also singem Herrjott, dann sagt er zärtlich:"Lev Herrjöttche", braucht er seine Hilfe, schimpft er: "Do schlarens dä Herrjott met enem Bletz dozwesche" und ist er in Not, flelt er: "Lev Herrjöttche vun Bentheim, kumm erunger". Übermütig geht er nach der Sonntagsmesse zum Frühschoppen und nennt das "mingem Herrjöttche de Kapp opsetze", denn: wem man vertraut, mit dem darf man schon mal einen Scherz treiben, ist doch "Uns Herrjott im Jrunde eene jode Mann!"
Recht persönlich geht er auch mit seinen Heiligen um. Und nicht nur persönlich. Er macht eigentlich Geschäfte mit ihnen. Ein Blick in St. Ursula zeugt davon: ein Heer von Kerzen brennt da vor sich hin, jede Kerze ein persönliches Anliegen und der Preis, für den eine Gegenleistung erwartet wird. Und wenn et nur die Schlüssele sinn, die man verluure hätt und die dä Hl. Anton ze finge hätt. Nun weiß der Rheinländer allerdings, daß Heilige oft viel zu tun haben, weltweit will jeder was von ihnen. Dieser Gedanke hat sich einer alten Tante in Blankenberg in dä Kopp jesatz. Wenn ihre Familienangehörigen bei jeder Kleinigkeit: et Enkelchen is krank oder dä Pitter hätt die Abschlussprüfung - eine Wallfahrt ins nahegelegene Bödingen machten - die Jungfrau von Bödingen is nämlich 'besser' als wies dä Christophorus von Heisterbacherrott -, per pedes versteht sich, blieb die Tante zu Hause. Als das aufzufallen begann - die Tante war nämlich ansonsten recht katholisch - wurde sie gefragt, warum sie nie mit wallfahre. Die Tante druckste zuerst herum, als ginge es um ein Geheimnis, und sagte schließlich: "Ich bedden zom Selijen Rosa vun Dingenskirchen. Die is at zick poor Johr seligjesprochen, do hätt die mih Zick, weil die noch net esu vill am Balg hätt". Ergänze: Do stonn ich mich besser bei! Und das Geheimnis war, daß sie die sel. Rosa mit keinem teilen wollte! Tja, der Rheinländer und singe Himmel!
 
In diesem Sinne
Ihr
Konrad Beikircher
                                                                        
 

© 2012 Konrad Beikircher für die Musenblätter - Redaktion: Frank Becker