Schön war die Zeit

Konrad Beikirchers neue Show „Bajo Bongo“

von Frank Becker

Freddy Quinn, Caterina Valente, Peter Kraus
© Polydor - Archiv Musenblätter

Schön war die Zeit
 
Schlagerspaß und Nostalgie
mit Konrad Beikirchers neuer Show
„Bajo Bongo“
 
Martin Wagner (Akkordeon), Matthias Raue (Bratsche und Mandoline), Hanns Höhn (Kontrabaß), Konrad Beikircher (Gesang, Hawaii-Gitarre, Mundharmonika, Maultrommel)

So gut gefüllt war die Remscheider Klosterkirche schon lange nicht, ein Beleg dafür, daß Konrad Beikircher und sein Quartett mit ihrem neuen Programm einen Nerv getroffen haben. „Bajo Bongo“ heißt es nach einem 1954 von Caterina Valente gesungenen Polydor-Titel und es spricht alle die an, deren Musik der 50er Jahre von der heutigen Jugend mit Staunen als „voll retro“ wiederentdeckt wird: die Generation, die den deutschen Wiederaufbau nach dem 2. Weltkrieg miterlebt und mitgestaltet hat, die noch ein Röhrenradio und kein Internet hatten und im Wohnzimmer eine dreiarmige Tüten-Stehlampe. So setzte sich denn auch das äußerst vergnügte Publikum im restlos ausverkauften Saal überwiegend aus der Gruppe Ü 60 zusammen – und die hatte spürbar Spaß an der Freud´.
 
Petticoat und Nyltest-Hemd

Foto © Frank Becker
 
Wer mitzählte, kam auf 19 Schlager aus den Fünfzigern, zu denen Konrad Beikircher viel, gelegentlich weit ausholend und mit köstlichen Ausflügen in die Werbewelt der 50er zu erzählen hatte. Da gab es manchen Reklame-Ohrwurm von Medima-Wäsche aus Angora über den Sarotti-Mohr bis Verpoorten Eierlikör. Hatten Sie damals auch so gräßliche Nyltest-Hemden, die 1959 aufkamen? Sehnse! Dafür gab es den Petticoat für junge Damen. Und das sah schick aus. Es ist natürlich schwer, diese markante Schlager-Epoche in so wenigen Titeln  zusammenzufassen. Doch es gelang der eigentlich historisch-typisch besetzten Band mit Martin Wagner am Akkordeon als Erbe von Will Glahé, Fred Oldörp und Karl Geithner (und heimlicher Star des Abends), Matthias Raue an Mandoline und Bratsche mit dem Schmelz von Helmut Zacharias und Hanns Höhn am Kontrabaß wie einst Mischa Andrejew, die Stimmung der Zeit zu skizzieren. Konrad Beikircher selbst griff gelegentlich wie einstmals Werner Cypris oder Eddie Rothe zur Gitarre, und im Gedenken an Bill Buysman sogar zur Hawaii-Gitarre.
Daß Beikircher sich dieses Themas annahm, ist auch ein bißchen seiner Verärgerung über das schäbige Ausschlachten der Zeit durch viele seiner Kollegen zu verdanken, die aus den 50ern nur einen billigen Gag machen, um sie durch den Kakao zu ziehen. Sein Konzept ist das liebenswerte Wiederfinden.
 
Heimatlos und Südsee-Sehnsucht
 
Nach sechs Jahren Krieg, in einem zerbombten und seiner Männer beraubten Land, das nach den Hungerjahren von „Trizonesien“ jetzt wirtschaftlich und politisch auflebte, war der Schlager ein Ausdruck von Hoffnungen und Sehnsüchten, nach neuem Glück und neuem Schwung – aber auch der Flucht vor dem noch längst nicht vergessenen Grauen des Krieges. Die Füße waren nicht mehr zum Marschieren, sondern endlich wieder zum Tanzen da. Und die Tränen des Kummers durften langsam

© Polydor - Archiv Musenblätter
wieder Tränen der Rührung und Freude weichen. Es gab viel zu vergessen und aufzuarbeiten. Stichworte dafür waren: Spätheimkehrer, Heimatfilme, Fernweh. Italien und die Südsee wurden besungen, der Silberwald und die Heide durchstreift, die Einsamkeit des Individuums in Ton und Bild gesetzt.
Ausgerechnet zwei Österreicher gehörten zu den Protagonisten dieser Südsee-Sehnsucht und Seemanns-Einsamkeit – der erste war Manfred „Freddy“ Quinn (*1931), dessen „Heimweh“ 1956 für 38 Wochen und „Heimatlos“ 1957 für 28 Wochen in die Schlagerparaden einzog. Die zweite war Lolita (auch: Ditta Zusa), die 1957 mit „Der weiße Mond von Maratonga“ für 23 und 1960 mit „Seemann, deine Heimat“ für 41 Wochen ihre ganz großen Erfolge hatte.
 
Mit Siehiebzehn…
 
„Siebenmal in der Woche“ sang 1957 Vico Torriani (der nicht der erste Fernsehkoch war – nein, das

Peter Kraus - Foto © Frank Becker
war 1953 eindeutig Clemens Wilmenrod), „Leila“ wurde 1960 frech von den Regento Stars beschworen, „Maria aus Bahia“ schon 1950 von René Carol und Caterina Valente, eine der ganz Großen des Show-Geschäfts träumte mit „Ganz Paris“ von der Liebe. Ihre Diskographie von Vilser/Grünwald füllt 765 (!) Seiten.
Bei so viel Wiederhören wurde manches Auge feucht und aus voller Kehle stimmten die textsicheren Damen und Herren im Publikum häufig ein, ob bei Lolitas „Seemann“ (laß das Träumen), „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“ (Kilima Hawaiians 1953 / Bruce Low 1954), „Das alte Haus von Rocky Docky“ (Bruce Low 1954), "Tom Dooley" (Nilsen Brothers 1959) oder die Lippen wurden beim unvergessenen Pfiff von „Mit 17“ von Peter Kraus gespitzt. Den hat man ja noch aus dem 1958er Film „Immer die Radfahrer“ im Ohr. Zwar schmähte Konrad Beikircher den Teenager-Star Peter Kraus, doch verneigte er sich mit einem wunderbaren Solo auf der chromatischen Mundharmonika und dem Hit „Kitty Kat“ (1959) vor dem Soft-Rocker der 50er, der heute noch genauso gut, vielleicht besser ist als damals. Und wissen Sie noch: Moohoohoonlight…“ (1960) von Ted Herold? Nach „Hula Rock“ (1959) sein zweiter großer Hit und 22 Wochen in den Top Ten.
 
Was kann schöner sein
 
Lys Assias unvergessenes „Que sera /Was kann schöner sein“ (1956), mit dem sie seinerzeit in die Spuren von Doris Day getreten war und für das Werner Cypris den deutschen Text geschrieben hat, wurde eine der Zugaben, und auch Connie Francis Top-Hit von 1960 „Die Liebe ist ein seltsames Spiel“ war im Rennen. Daß auch da manch ein Seufzer durch die Reihen ging, liegt auf der Hand. Was, bzw. wer leider draußen blieb – man kann nicht alles haben – sind Namen wie Rudi Schuricke, Friedel Hensch (& die Cypris), Bully Buhlan, Margot Eskens, Gitta Lind, Heidi Brühl, Ernie Bieler, Jörg

Konrad Beikircher - Foto © Frank Becker
Maria Berg, Gerhard Wendland, Fred Bertelmann, Chris Howland, Willy Hagara, Vittorio Casagrande, Jimmy Makulis, Renée Franke, Lonny Kellner, Rita Paul - aber auch - Beikircher sei Dank! – solche Grausamkeiten wie Peter Alexander, Bill Ramsey, Gus Backus, Ralf Bendix und Billy Mo.
Natürlich hatte der bekennende Südtiroler Beikircher auch Fred Buscagliones „Buona sera Signorina“ (1958) und dessen „Ricordati di Rimini“ (1959) mit im Gepäck dieses herrlichen, erfrischenden Abends. Unvergessen seine italienischen Programme „Amore e passione“, „Ciao ciao bambina“ und „Una festa sui prati“. Und was jetzt im „Bestand“ fehlte, kann ja durchaus in einem Folge-Programm nachgeholt werden.
 
Weitere Informationen:  www.beikircher.de   und  www.tackerfilm.de