En (Avant-)garde!

Olaf Metzel fordert zur Auseinandersetzung heraus

von Frank Becker

no problem

Skulpturen und Installationen von Olaf Metzel

im Von der Heydt-Museum Wuppertal


No problem?

Mit seiner neuen Ausstellung "no problem", einer Präsentation von Skulpturen und Installationen des in München lehrenden Berliner Künstlers Olaf Metzel will das Wuppertaler Von der Heydt-Museum zweierlei erreichen: zum einen an die Tradition früherer Skulpturen-Ausstellungen anknüpfen, um der dreidimensionalen Kunst zu ihrem Recht zu verhelfen, zum anderen der Avantgarde Raum geben.


Olaf Metzel/Gerhard Finckh - Foto © Frank Becker
Museumsleiter Dr. Gerhard Finckh und der sicher nicht ohne Grund umstrittene zeitgenössische Bildhauer und Objektkünstler Olaf Metzel haben ein Jahr lang vorbereitet, was vom kommenden Sonntag an in dem traditionsreichen Wuppertaler Museum zu sehen sein wird - und neben Amüsement und Befremden sicher auch intensive Fragen und möglicherweise dogmatische Diskussionen zur Folge haben dürfte. Was Metzel mit Wuppertal verbindet, ist die Anerkennung der Malerei des Elberfelders Hans von Marées, den er als einen der wichtigsten Künstler des 19. Jahrhunderts bezeichnet.

Tiraden

Metzel, Jahrgang 1952, der seit 1990 in München lehrt und dem mittlerweile der Ruf nacheilt, Begründer einer "Münchner Schule" zu sein, ist kein Mann leiser Töne oder reflektierter Meinungen. Er brüskiert, ohne einräumen zu wollen, daß er provoziert, und er stellt sein Licht nicht unter, allenfalls

 
 Olaf Metzel Foto © Frank Becker
über den Scheffel: "Ich provoziere nicht, ich mache einfach nur gute Kunst!". Eine recht eitle Selbstbespiegelung, über die hier nicht gerichtet werden soll. Olaf Metzel hat deutliche Feind- und diffuse Freundbilder. Immerhin bekennt er offen: "Es geht mir als Künstler um die Radikalität" - was sich verbal in harschen Aussagen manifestiert: "Ich hasse die `68er, diese Penner" oder "Ich hasse diese Hartz IV und Folgen, Typen die nie Steuern bezahlt haben und nur maulen". Die brachiale rote Beton-Skulptur eines rennenden Menschen hat er 1981 in Erinnerung an Berliner Demonstrationen gegossen, bei denen, so Metzel, "...ein Demonstrant von Polizisten bewußt auf die Straße vor einen Bus gedrängt worden ist, wo er dann von den Rädern überrollt und getötet wurde". Er wird es wohl gesehen haben. Im Katalog posiert der Künstler fast peinlich mit einem Berliner Polizei-Schutzhelm dieser Zeit: "Sowas geht im Getümmel schon mal verloren und man `findet´ es. Dann gehört es eben dem Finder", kommentiert er selbstzufrieden lächelnd.

Foto © Von der Heydt-Museum

Urinale und Torpedos

Ein Raum der Wuppertaler Ausstellung gehört einer gegenüberliegenden Doppelreihe von mit Farbe bekleckerten Urinalen - "Milieufragen" heißt die Installation. Es fehlen die Beckensteine. Der Sammler Harald Falckenberg hat im Katalog dazu etwas geschrieben (zum Katalog später mehr). Ein anderer Raum birgt im Dämmerlicht die Kombination zweier ursprünglich separater Installationen: "Im Grünen" + "Turbokapitalismus" - ein Hieb gegen den Urlaub in Krisengebieten. Wir sehen Torpedos, Tarnnetze und Fallschirmseide - Relikte eines nicht lange zurückliegenden Krieges quasi vor unserer Haustür. Einige der damals betroffenen Teilrepubliken des ehemaligen Jugoslawien sind mittlerweile Teil der Europäischen Union.

Polen raus aus der EU!

Auch zur EU-Erweiterung hat Olaf Metzel seine klare Meinung: "Türkei in die EU - Polen aussperren! Die Polen haben doch keine Kultur, die Türken hingegen haben eine." Nu  ja.
Damit kommen wir aber auch auf kurzem Weg zum Schwerpunkt-Thema der Wuppertaler Ausstellung: "Türkei, Türken in Deutschland - Identität und Identifikation". Der große Sched-Saal läßt einige der erfolgreichsten Arbeiten Metzels im hellen Licht sehen. Da finden wir Stehtische mit schwarzer Folie überhängt, z.T. umgeknickt, gefallen, daneben eine


Kebap-Monument Foto © Frank Becker
Plexiglas-Konstruktion: "Kebap-Monument". Blickfang ist ein in den Raum gestellter Kiosk mit Zeitschriften und Fan-Artikeln des Vereins Besiktas Jimnastik Kulübü, dessen Trainer Christoph Daum mal war. Türkischen Fußballfreunden, Anhängern des Vereins zumal werden angesichts der Original-Signaturen die Augen feucht werden.  Ein Zeitdokument, mit Hilfe von Daum gestaltet.
Frei und still im selben Raum steht der nahezu lebensgroße, honigfarben vergoldetet Akt einer jungen Frau. Oder doch kein Akt? Sie trägt nämlich, das Haupthaar schamhaft verhüllend ein nach türkischer Tradition gebundenes Kopftuch. Trotzig die Haltung, keineswegs mit dem von Marlene Streeruwitz gesehenen "Fast-Lächeln" auf den verkniffenen Zügen. Sie steht da, beinahe gegen die eigene
 
 turkish delight - Foto © Frank Becker
Überzeugung möchte man meinen, die letzte Nacktheit durch entferntes Schamhaar betonend und abwartend, was denn nun die Männergesellschaft tun möge.

Turkish delight

Olaf Metzel betont seine Zuneigung zur türkischen Kultur (s.o.) und Lebensart, hat seit der Besiedlung Berlins von 1982 an durch Türken viele Freunde unter den Eingewanderten gefunden und vielfach die Türkei bereist. Die Sprache spricht er nicht. Damit wird die Kenntnis der Kultur zwangsläufig marginal, lückenhaft, können u.a. Aussagen wie die durch die Foto-Dokumentation "Türkenwohnung Abstand 12 000,- DM VB" transportierte, die ein monumentales Hakenkreuz als Zentrum hat, nur als eine sehr persönliche Meinung betrachtet werden. Daß eine gewisse Neigung gewisser türkischer Kreise in der Nazi-Vergangenheit Deutschlands wurzelt, ist sicher nicht bestritten. Wir erfahren weder in der Ausstellung noch im begleitenden Katalog, ob Metzel eine Meinung zum Völkermord der Türken an den Armeniern hat oder sie vielleicht aus Liebe zu einem Kulturkreis schlicht ausblendet. Man muß schon alles sehen.

Mal ansehen...

Alles ansehen können in Wuppertal Interessierte vom 12. August (Vernissage um 11.30 Uhr) bis zum 25. November 2007. Zur Ausstellung ist ein ausgezeichnet gemachter Katalog mit einigen interessanten (wie z.B. von Dr. Herbert Pogt zum Akt in der Kunst), polemischen und verschiedenen


Foto © Frank Becker
dem Künstler gefälligen Textbeiträgen erschienen. Der durch die Brennscheidt-Stiftung geförderte Band ermöglicht einen weit größeren Überblick über die Arbeit Olaf Metzels, als es die Ausstellung vermag - man lernt u.a. den hervorragenden Portrait-Bildhauer Metzel kennen. Der Katalog ist während der Ausstellung im Museum zum Preis von nur 20,- € zu haben.
Von der Heydt-Museum - Turmhof 8 - 42103 Wuppertal - Tel. 0202-5636231

Weitere Informationen unter: www.von-der-heydt-museum.de

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Interessant ist im aktuellen Zusammenhang sicher auch diese Meldung des Kultursekretariats NRW:

Transfer Türkiye-NRW / 2005-2007

Die Ausstellungen: Aachen / Bochum / Münster / Istanbul

Wuppertal, 9. August 2007. Die siebte Ausgabe des mehrjährigen internationalen Künstler- und Kunstaustauschprogramms Transfer Türkiye-NRW / 2005-2007 läuft seit 2005 und ist, unter der Schirmherrschaft von Staatsministerin Maria Böhmer, dem Gastland Türkei gewidmet. Im Zentrum steht die Förderung des wechselseitigen Kulturverständnisses – mit einem Land, in dem der politische und kulturelle Wandel beeindruckende Poten­ziale freilegt und aufregende künstlerische Entwicklungen auslöst und begünstigt.
Vier Ausstellungen mit eigenständigen kuratorischen Konzepten widmen sich 14 jungen Künstlern aus der Türkei und aus NRW, zeigen bedeutende Entwicklungen der Kunst in beiden Ländern auf und machen entschiedene ästhetische Positionen und kulturelle Unterschiede sichtbar.

Termine Ausstellungen und Eröffnungen:
Aachen:

14. September – 04. November 2007
Ludwig Forum für Internationale Kunst
Eröffnung: Freitag, 14. September 2007 / 20:00 Uhr

Bochum:
15. September – 04. November 2007
Museum Bochum
Eröffnung: Samstag, 15. September 2007 / 17:00 Uhr

Münster:
16. September – 25. November 2007
Ausstellungshalle zeitgenössische Kunst
Eröffnung: Sonntag, 16. September 2007 / 11:30 Uhr

Istanbul:
07. Dezember 2007 – 27. Januar 2008
Santralistanbul

Die Künstler:
Elif Çelebi, Burak Delier, Tatjana Doll, Aksel Zeydan Göz, Anja Jensen, Yasemin Özcan Kaya, Eva-Maria Kollischan, Stephan Mörsch, Ferhat Özgür, Sener Özmen, Matthias Schamp, Max Sudhues, Cengiz Tekin, Heike Weber.