Komiker, Ketzer, Kosmopolit

Fatih Cevikkollus dringende Fragen an Gott

von Frank Becker

Fatih Cevikkollu - Foto: Veranstalter
Komiker, Ketzer, Kosmopolit
 
Fatih Cevikkollus dringende
Fragen an Gott
 
 
Wermelskirchen. Ein Unfall geschieht, der verunglückte Radler steht vor dem berühmten weißen Licht am Ende des Tunnels, während der Notarzt den Defibrillator ansetzt. Auf wattigen Wolken tritt Fatih Cevikkollu, im weißen Wams und auf (aha!) Jesus-Latschen, vor seinen Herrn (und vor das Publikum in der restlos ausverkauften Kattwinkelschen Fabrik) – und beginnt, was ist von einem Levantiner anderes zu erwarten, mit ihm um ein bißchen mehr Leben zu feilschen. „Ich bin ein Guter! Ich habe Frau und Kind, hab nie FDP gewählt und immer im Sitzen gepinkelt. Nimm die anderen, z.B. Kim Jong Un, den Bambus-Honecker!“ Ins Paradies? Nein, dahin will er nicht. „Nein, keine Jungfrauen! Ich will Profis!“
Er stellt  berechtigte Fragen an und auch über diese himmlische „Existenz“, für die jede Religion einen eigenen Namen hat. Der in Köln geborene Fatih Cevikkollu mit längst säkularisierten moslemischen Wurzeln beherrscht sensibel die Gratwanderung zwischen Komik und Ketzerei, wenn er, der Deutsche mit türkischem Gesicht, ein eloquenter Bildungsbürger und Kosmopolit, der sich auf Aristoteles beruft, ohne bigotten Respekt nach Definitionen für einen sucht, der viel Übles auf der Welt geschehen läßt und sogar„seinen eigenen Sohn hängengelassen hat“: „Gott? Das ist Albert Speer in Gut.“
 
Bitte keine Witze über die FDP!
 
Als Standup Comedian hat der Schauspieler, ein Ernst-Busch-Schüler mit Bühnenerfahrung, begonnen - sein aktuelles drittes Programm „Fatih unser“ ist eine gelungene Mischung aus ebenso anspruchsvollem wie bissigem politischem Kabarett und amüsanter Comedy mit Tiefgang. „Der Euro wackelt, viele wünschen sich die Mark zurück, manche sogar die Reichsmark.“ Er ist souverän, auch im Umgang mit dem Publikum, scheut sich nicht, die unentwegt plappernden, handyfilmenden, smsenden jungen Mädchen in Reihe 1 in ihre Schranken zu weisen: „Das ist nicht wie im Fernsehen – ich kann dich auch hören. Stört euch das, wenn ich rede?“ Das gefällt den Leuten und verschafft ihm sogar bei den Girlies Respekt.
Respekt, den er vor Polit-Marionetten wie Angela Merkel und Philip Rösler oder Leuten wie Horst Seehofer und Recep Erdogan nicht hat: „Wie kann ich Erdogan und Seehofer beschreiben, ohne sie zu verletzen?“ Geht wohl nicht. Oder Pinocchios Bruder: Brüderle? „Bitte keine Witze über die FDP – das ist wie Kinder schubsen!“ Wie man mit einer Partei wie dieser aufräumen kann, hat einst Möllemann vorgemacht. Da schluckt schon der eine oder andere im Saal etwas heftiger. Cevikkollu hat das Publikum auf seiner Seite, wenn er Helmut Schmidt seine Verehrung zu Füßen legt: „Der einzige Politiker der nachdenkt, bevor er spricht“ oder Christian Wulff kritisiert: „Der Erste Mann im Staat – und benimmt sich wie der Letzte.“ Aber wir Deutschen sind trotzdem und trotz Guido Westerwelle „weltweit beliebt, nicht nur, wenn wir Heckler & Koch heißen.“
 
Das pralle Leben
 
Er spiegelt den Alltag mit Witz und vernichtender Kritik an den Weight-Watchers (das Flensburg der Fettröllchen), dem Magerwahn der Modepuppen („An denen ist doch nichts dran, aber da muß was dran sein, so richtig zum Anfassen!“) und der lebensfeindlichen Zwangs-Verschleierung im Islam: „Burka = Hui Buh“. Das findet er einfach nur doof, allenfalls läßt er einen Schador als gnädige Lösung bei heftiger Pubertäts-Akne durchgehen. Wie Recht er doch hat.
Herrlich seine lebenskluge Abrechnung mit dem deutschen Handwerk: „Was ist der Bauherr für den Handwerker? Eine atmende Rechnungsadresse auf Kohlenstoffbasis.“ Die wiedererkennbaren Dialoge mit den Herren des Handwerks lösten allgemeine Heiterkeit aus. Eine Paradenummer ist sein kölscher Autoknacker HaWe, der sich durch die Überbewertung ausländischer Straftäter in seiner Verbrecherehre gekränkt sieht. Das ist pralles Leben.
Dem vermeintlich Freunde schaffenden „Social Network“ Facebook gehört seine besondere Haß-Liebe: „Wie oft muß man eigentlich vom Fahrrad gefallen sein, um Facebook für ein soziales Netzwerk zu halten?“ Diese Illusion schafft er mit deutlichen Worten vom Tisch. Cevikkollus bewegender Wunsch für seine Gäste ist, daß sie im wahren Leben wirkliche Freunde haben. Die sind nämlich rar, mal Hand aufs Herz.
 
Apropos Freunde: Erinnern Sie sich noch an Yvonne S. aus Buchholzen, meine zufällige Sitznachbarin bei der „Schlachtplatte“? Sie war auch diesmal mit im Saal, ließ sich von Cevikkollu spontan zu einem Vorlese-Intermezzo auf der Bühne überreden und bekam zur Belohnung die ungeteilte Sympathie des Publikums, Fatih Cevikkollus Anerkennung und sein signiertes Buch „Der Moselm-TÜV“. Respekt!
 
 
Weitere Informationen: www.fatihland.de/  -  www.rowohlt.de