Weihnachten 1980

Eine Nachlese zum Weihnachtsabend

von Sophie Basse

Sophie Basse
Foto: Uwe Stratmann
Weihnachten 1980
 
Es ist Heiligabend, ich bin acht Jahre alt und warte mit meiner Schwester im Kinderzimmer, während meine Eltern, meine Tante und meine Großmutter das Weihnachtszimmer vorbereiten. Ich bin sehr aufgeregt. Vor mir liegt die kleine Geige, auf der ich im Sommer angefangen habe, spielen zu lernen, mit dem Ziel vor Augen, an Heiligabend der gesammelten Verwandtschaft »Morgen kommt der Weihnachtsmann« vorzutragen. Mit dem lang ersehnten Bimmeln der Glücklichen stürmen wir ins Zimmer und singen erst Mal gemeinsam »Stille Nacht« - das tun wir übrigens heute noch, und sind uns jedes Jahr über die Reihenfolge der Strophen uneinig. Dann bin ich dran. Leider habe ich den von der erwartungsvollen Familie aufgebauten Druck unterschätzt und muß bereits bei »kommt mit seinen Gaben« weinend kapitulieren. Dann folgt die nächste Katastrophe: Meine Großmutter schenkt mir tatsächlich eine Barbie! Allerdings die Reiter-Barbie! Die Reiter-Barbie hat im Vergleich zu anderen Barbies zwei entscheidende Nachteile: Erstens trägt sie einen häßlichen und blöderweise festgetackerten Reiterhelm, der jegliche Frisurenveränderung unmöglich macht. Zweitens hat die Reiter-Barbie, um auf dem braunen Plastikpferd sitzen zu können, dementsprechend geformte Beine, die sich selbst unter Gewaltanwendung nicht geradebiegen lassen. Folglich ist die Reiter-Barbie nicht mal in der Lage zu stehen, geschweige denn, vor Ken eine gute Figur zu machen. Ich bin sehr enttäuscht. Jetzt tröstet mich nur noch der feste Gedanke daran, daß die Tiere in der Heiligen Nacht zwischen Mitternacht und 01:00 Uhr sprechen können. Ich lege mich zu unserer Katze Minki auf das Sofa und warte also darauf, daß sie mit mir über ihre Bedürfnisse, Ängste und Sorgen spricht (Nachbarshund, Haarausfall, kalte Milch, etc.). Doch sie schnurrt nur zufrieden. Also ist sie wohl glücklich!