Baumschmuck

von Juliane Pempelfort

Juliane Pempelfort
Foto: Uwe Stratmann
Baumschmuck
 
Ich war zuständig für das Schmücken des Baumes, soweit ich zurückdenken kann. Eine Aufgabe, die mir den Respekt meiner jüngeren Geschwister entgegenbrachte - was im übrigen gar nicht nötig war -, im Laufe der Jahre aber noch gesteigert wurde durch die sukzessive Übertragung weiterer verantwortungsvoller Aufgaben, wie der des Einpackens sämtlicher Präsente (wer meine Mutter kennt, ahnt, daß nur wenig gefehlt hätte, und sie hätte mich auch die für mich bestimmten Geschenke einpacken lassen!), sowie des Vorbereitens der Weihnachtsteller mit dem dafür nötigen Geschick im gerechten Verteilen begehrter und eben weniger favorisierter Süßigkeiten. Nachdem endlich ein mit Werkzeug und Handwerksgeschick gesegneter Nachbar den Baumstamm in ein passendes Verhältnis zum Weihnachtsbaumständer gebracht hatte, war noch die Frage der von meiner Mutter bevorzugten jährlich jeweils wechselnden Schmückungsart zu klären: ein langwieriger Prozeß, in dessen Verlauf Strohsterne gegen Silberkugeln, rote Schleifchen gegen Lametta (gerne aus Blei, und über Jahrzehnte aufgehoben, wiederverwendet und vererbt), und elektrische Lichterketten gegen echte Kerzen mit ebenfalls in verschiedenen Ausführungen vorrätigen Kerzenhaltern gegeneinander abzuwägen und schließlich aufeinander abzustimmen waren. Nun konnte ich mich stundenlang und vor allem ungestört mit der Ausführung befassen, denn meinen Geschwistern war das Betreten des Wohnzimmers bis zur feierlichen Eröffnung durch unsere Mutter am Abend untersagt. Auch Mutter ließ mich in Ruhe und störte sich nicht an der Punkmusik, die ich, meinem Alter entsprechend, lautstark aufgedreht hatte. Ich war zufrieden mit dieser jährlichen Aufgabe und genoss die Zeit völligen Unbehelligtseins.