Das Max-Klinger-Haus bei Naumburg

Ein Solitär in lieblicher Landschaft

von Jürgen Koller

Max Klinger, um 1900
Das Max-Klinger-Haus
bei Naumburg

Ein Solitär in lieblicher Landschaft
 
 
Es ist wahrlich ein lieblicher Landstrich Sachsen-Anhalts, dort wo das Flüßchen Unstrut in die Saale mündet. Das wußte auch der Maler, Grafiker und Bildhauer Max Klinger zu schätzen, als er bei dem Weindorf Großjena im Jahre 1903 einen Weinberg mit zwei kleinen Häusern erwarb. Die milden, sonnenreichen Sommer lassen im nördlichsten Weinanbaugebiet Deutschlands seit jeher die Trauben für begehrte Weine reifen, so für Gutedel, Silvaner, Grauen Burgunder oder Müller-Thurgau. Bei klarem Wetter ist Naumburgs Silhouette mit den Türmen des Doms vom Klinger-Haus aus zum Greifen nah.

Max Klinger, 1857 in Leipzig geboren, gilt mit seiner Zeichen- und Radierkunst, seiner Malerei und seinem umfangreichen bildhauerischen Werk als ein Hauptvertreter des Symbolismus am Ende des 19. und am Anfang des 20. Jahrhunderts, zugleich ist aber sein Werk auch vom Jugendstil geprägt. Mit seinem Rückgriff auf Motive und Sinngehalte der Antike schuf der belesene, vielseitig gebildete und viel gereiste Künstler ein oftmals allegorisch verschlüsseltes Werk, das sich dem heutigen Betrachter nur dann erschließt, wenn auf Grundkenntnisse der griechischen Mythologie zurückgegriffen werden kann.


Max Klinger, "Handschuh Opus VI"

In der Radierung "Handschuh Opus VI", Entführung begehrenswerter weiblicher Schönheit, verwoben mit erotischer, lustvoller Sinnlichkeit - dabei die Spießer und Mucker seiner Zeit bewußt herausfordernd - stehen Todessehnsüchte und düstere Vorahnungen gegenüber.


Das größere, obere der Weinberg-Häuser, das Klinger anfangs mit seiner langjährigen Lebensgefährtin, der charmanten Wiener Schriftstellerin Elsa Asenijeff, ab 1909/10 mit seinem jungen Modell und späteren Ehefrau Gertrud Bock bis zu seinem Tod im Jahre 1920 bewohnte, gewährt einen umfassenden Einblick in das Werkschaffen dieses hochbegabten Künstlers.
Unterhalb des Klinger-Hauses befindet sich das sogenannte „Radier-Häuschen“ – an der Radierpresse können heute noch Künstler des Umlandes von Naumburg arbeiten. 

Das Radierhäuschen
Neben einer Fülle von Dokumenten und Fotos aus dem Leben Klingers werden Werkbeispiele seiner „Griffel“-Kunst, seines bildhauerischen Schaffens und seiner Malerei im Weinberg-Haus präsentiert. Einmalig aber sind die beiden Kachelöfen, jeweils im Ober- bzw. Untergeschoß des Klinger-Hauses, die der Künstler seinerzeit selbst entworfen und deren Kacheln er selbst geformt und künstlerisch gestaltet hat. 
 
Am 4.Juli 1920 starb der Künstler an den Folgen eines Schlaganfalls. Seine letzte Ruhestätte fand Klinger auf seinem „Klingerberg“, wenige Schritte neben seinem Wohn- und Arbeitshaus. Am Eingang der gepflegten Anlage wurden zwei Marmorstelen mit den Porträtbüsten von Klinger und seiner Frau Gertrud aufgestellt, während sein Grab die Figur des „Athleten“ (vollendet 1901) schmückt. 
Beim Rundgang durch das Klinger-Haus kann ein kurzer Stummfilm von der Beisetzung Klingers angesehen werden. Unter den Trauergästen findet sich auch Käthe Kollwitz, die damals das Beileid der Künstlerkollegen der Neuen Berliner Sezession übermittelte.
 
Max Klingers letztes großes Werk ist das im Auftrag des Chemnitzer Textilfabrikanten Hermann Vogel für den Stadtverordneten-Saal des Neuen Chemnitzer Rathauses von 1911 bis 1918

Max Klinger, Doppelakt, 1918
geschaffene Wandbild „Arbeit – Wohlstand – Schönheit“. Das 13,50 x 3,75 große auf Leinewand gemalte Bild, das den Bombenkrieg überstand, folgt dem künstlerischen Grundanliegen Klingers, daß sich nämlich die Wirklichkeit in der Kunst realisiert. Deshalb die allegorische Verschlüsselung des alten Chemnitz, das (auf sächsisch) den wenig schmeichelhaften Beinamen „Ruß-Kamts“ führte. Im Hintergrund ist eine prosperierende südliche Industrie- und Handelsstadt zu sehen, im Mittelgrund findet sich eine lebendige Hafenszenerie und im Vordergrund rechts ist eine allegorische Figurengruppe aufgebaut - gruppiert um eine Dame im blaugestreiften Kleid, die für die Stadt Chemnitz steht - welche kraftvolle Tatmenschen und Beschützer der Stadt zeigt. Neun antike Musen symbolisieren die aus der Arbeit und dem Wohlstand erwachsende Schönheit. Übrigens war dieses Wandbild während der Nazi-Zeit und in den Jahrzehnten des „Realsozialismus“ abgedeckt. Bis in die frühen 80er Jahre hinein zierte der sinnige Spruch „Der Sozialismus siegt“ die graue Abspannung.

Herrn Dr. Wagner, Leiter des Stadtmuseums Naumburg,  ist für die Freigabe der Fotos aus dem Klinger-Haus und der Grabstätte zu danken.
© für alle Fotos aus dem Klinger-Haus und Grabstätte: Margot Koller
© Wandbild im Rathaus Chemnitz: Stadt Chemnitz


Im Winterhalbjahr ist das Max-Klinger-Haus geschlossen. Es ist erst wieder ab 1. April 2012, dienstags bis sonntags von 10.00 h bis 17.00 h geöffnet. Montags geschlossen.
Anschrift: Max-Klinger-Haus, Blütengrund 3, 06618 Naumburg-Großjena - Tel. 03445-230823
Verwaltung Stadtmuseum Naumburg: 03445 -6990235
E-Mail: Post@MuseumNaumburg.de  Internet: www.MuseumNaumburg.de



Redaktion: Frank Becker