Beethoven in Hemdsärmeln

Marc Pierre Toth - ein Chris Howland der Klavier-Klassik

von Frank Becker

Foto: Veranstalter
Beethoven in Hemdsärmeln
 
Marc Pierre Toth: ein Chris Howland
der Klavier-Klassik

 
Remscheid. Vor zwei Jahren war der Kanadier Marc Pierre Toth schon einmal mit einem Beethoven-Programm Gast in Remscheid. Sein damals erworbener Ruf muß ihm über die Jahre bewahrt geblieben sein, denn der Saal der Klosterkirche war zu seinem Konzert mit Werken von Beethoven und Liszt am vergangenen frühen Sonntagabend gut besetzt. „Endlich bin ich wieder in Remscheid!“ Mit diesem Bekenntnis hatte der sympathische Pianist die gut 100 Musikfreunde sogleich auf seiner Seite – und als er der Schwüle im Saal geschuldet salopp sein Sakko ablegte und mit aufgerollten Hemdsärmeln und gelockerter Krawatte am Flügel Platz nahm, wurden die Gäste zu Freunden.
 
Er ist ein ungewöhnlicher Musiker, der weltweit anerkannte Pianist und Hochschullehrer, der in fließendem Deutsch humorvoll, informativ und keineswegs schulmeisterlich in die beiden Beethoven-Sonaten des ersten Konzertteils einführte. Schon bei den Klangbeispielen zum op. 109, mit denen er Themen-Parallelen zu Beethovens op. 79 nachwies, war berückend, welche Klangfülle Marc Pierre Toth aus dem kleinen Yamaha-Flügel der Klosterkirche hervorzuzaubern wußte. Wer den Rundfunkplauderer Chris Howland kennt, der zur gleichen Stunde im WDR 4 seine sonntäglichen „Spielereien mit Schallplatten“ präsentierte, fühlte sich spontan an dessen sympathische Art erinnert.
 
Die Ausführung der Sonate op. 109 schließlich zeigte sich in Toths sehr individuellem Stil im Vivace farbig, einfühlsam bewegt, ja temperamentvoll da, wo Beethoven es sich so gewünscht hätte, sensibel und moderat im Prestissimo sowie gefühlvoll, wenn auch nicht gänzlich griffsicher im Andante, das er unprätentiös austrudeln ließ. Des komplexen op. 110, das ebenfalls zuvor allgemeinverständlich und heiter erläutert wurde - doch, das geht bei Beethoven – entledigte sich der Interpret mit Eleganz, akzentuiert, in flüssigen Übergängen, wenn auch hier mit marginalen Fehlgriffen. Hinreißend das das gewaltige Memento mori im mehrteiligen letzten Satz, der mit einer wuchtigen Schluß-Apotheose ausklingt.
 
Teil zwei widmete Toth einem „Pop-Star“ unter den Komponisten seiner Zeit: Franz Liszt. Dessen perlend brillante Transkription von Niccolo Paganinis Capriccio aus der Konzert-Etüde Nr. 2, ein kleines Meisterstück, wurde zu einer Perle des Abends, ebenso wie die Wagner-Transkription des Pilger-Chors aus „Tannhäuser“, den Toth zunächst im O-Ton Wagner mit Text vortrug. Zart die Melancholie von Liszts „Gondoliera“ mit dem Thema von Antonio Lambertis „La bionda in gondoletta“, dramatisch Liszts „Canzona“ mit dem Thema von „Nessun dorma“ aus Rossinis „Othello“ und volkstümlich die „Tarantella“ auf der Basis neapolitanischer Volksweisen.
Eine schönes Konzert – und Remscheid freut sich gewiß schon auf Marc Pierre Toths drittes Gastspiel.
 
Weitere Informationen unter: www.weltklassik.de