Virtuose Spiele auf der Klaviatur

Denys Proshayev mit Bach, Liszt und Tschaikowski

von Frank Becker
Virtuose Spiele auf der Klaviatur
 
Denys Proshayev mit Bach und Liszt
bei Weltklassik am Klavier
 
Erst am Vortag von einer großen Konzertreihe aus Japan zurückgekehrt, zeigte der international anerkannte Pianist Denys Proshayev im intimen Rahmen der Remscheider Klosterkirche am vorigen Sonntag Konzentration und nuanciertes Spiel. Publikum und Saal sind ihm vertraut, seit er hier im November 2010 mit einem erlesenen Tschaikowski-Programm Freunde gefunden hat. (Lesen Sie dazu unten die Besprechung des Konzerts vom 22.11.2010)
 
Nun also Barock und Romantik, denn im ersten Teil des Abends stand Johann Sebastian Bach auf dem Programm, im zweiten Teil Franz Liszt - genauer: Transkriptionen. Im Bachschen Werkverzeichnis dicht beieinander liegen dessen Concerto in D nach Antonio Vivaldis Violinkonzert (BWV 972), das Concerto in d nach Alessandro Marcellos Oboenkonzert (BWV 974) und sein eigenes Italienisches Konzert (BWV 971). Schnell und schnörkellos eröffnete Proshayev mit der Vivaldi-Transkription, der weit vielschichtiger und tiefer gehend die Marcello-Transkription mit ihrem berühmten 2. Satz folgte. Dessen Triller sind wohl jedem Musikfreund im Ohr. Denys Poshayev gab das feinfühlig und traumschön mit dem rechten Gespür für die der Musik innewohnende Dramatik. Der schnelle, beinahe rasante 3. Satz rundete das erhebende Erlebnis spritzig und virtuos.
 
Bachs Italienisches Konzert ist ein Meisterwerk, geradezu ein Gassenhauer der Klavier-Literatur. Es beginnt glanzvoll mit angezogenem Tempo, schwelgt im 2. Satz im beseelten Ausdruck tiefer Besinnlichkeit und macht mit dem unerhörten, von Proshayev nahezu rasend angelegten Tempo des Schlußsatzes atemlos. Diese brillante, der Komposition würdige  Interpretation spielte Proshayev wie alle anderen Stücke ohne Blatt.
Zwei romantischen Transkriptionen gehörte der zweite Teil des Konzerts, Franz Liszts Klavierfassungen von Richard Wagners „Festspiel und Brautlied“ aus Lohengrin und die „Romanze und Ouvertüre“ aus Tannhäuser. Festlich und feierlich, wenn auch leicht verhaspelt und ein wenig zu heftig, so schien es, legte Proshayev die fünf Minuten des ersten Stücks an, darin der berühmte Hochzeitsmarsch, zärtlich und lyrisch, glänzend und optimistisch. Mit viel Pedal, fast sphärisch abgehoben beendete kunstvoll schleppend und perlend die Tannhäuser-Romanze das Konzert, ein zärtlicher Genuß.
 
 
Denys Proshayev mit einem erlesenen Tschaikowski-Programm
 
So seriös und sensibel, zugleich liebevoll interpretiert hört man Tschaikowski nicht oft. Der Ukrainer Denys Proshayev, dessen hohe Anschlagskultur dem begeisterten Publikum am Sonntag in der Klosterkirche ein erlesenes Konzert der Reihe „Weltklassik am Klavier“ schenkte, lebt den russischen Komponisten.
 
Die zwölf „Charakterstücke“ der „Jahreszeiten“ op. 37b präsentieren einen verzaubernden Gang durchs Jahr: leicht nachdenklich und besinnlich, fast zierlich, doch mit flüssigen Läufen und von perlender Lebensfreude der Januar, dann: höchst lebendig, energisch sprudelnd,  burlesk mit kräftigem Anschlag der Februar. Zart zurückhaltend zeichnete Proshayev den März des Lerchenflugs, aufblühend den April. Mit zauberhaftem Ausklang setzte er Tschaikowski romantische Mainächte ins Bild, ließ elegant mit der Barkarole im Juni träumen und zog froh im Juli mit den Schnittern aufs Feld. Proshayev machte raumgreifend die mit vollen Armen eingebrachte Ernte des August hörbar, das Halali der Jäger im September und zeichnete die Farben des Herbstes eindrucksvoll mit Melancholie und großer Tiefe. Den Jahresreigen schließen von der Troika des Pferdeschlittens aufgewirbelter Schnee und das strahlende Weihnachtsfest mit Tanz uns Glanz. Denys Proshayev ließ den Jahreszyklus so brillant passieren, daß man die Zeit der gut 45 Minuten nicht gespürt hatte.
 
Mit der Grande Sonate Nr. 1 op. 37 machte der Pianist seinen Hörern ein weiteres ausgesuchtes Geschenk. Gespickt mit technischen Anforderungen hohen Ranges eröffnet ein voluminöser Ecksatz voller thematischer Ohrwürmer diese Sonate von sinfonischer Größe. Dem gewaltigen Start folgen ein moderater, eher introvertierter zweiter und ein spielerisch  eleganter dritter Satz. Souverän und flink zeigt Proshayev seinen Rang im Abschluß, dem nahezu hals- und fingerbrecherischen Finale Allegro vivace. Den komplexen Satz mit gelegentlichen Anspielungen an Mozarts „alla turca“ gab Proshayev hochvirtuos. Rauschender Beifall machte eine Zugabe obligatorisch.