Mit Pulverdampf und viel Humor

„Das Wirtshaus im Spessart“ in einer Inszenierung des Landestheaters Detmold

von Frank Becker
Mit Pulverdampf und viel Humor
 
„Das Wirtshaus im Spessart“
in einer schwungvollen Inszenierung
 
Es beginnt mit einem Schuß – und es folgt noch manchen Knaller in dieser kurzweiligen, amüsant mit Versatzstücken aus wunderbarem Kitsch, Märchenbüchern und Film-Elementen spielenden Inszenierung von „Das Wirtshaus im Spessart“, einer musikalischen Räuberpistole sehr frei nach Hauff und nach Motiven des legendären Kurt Hoffmann-Films. Da sich die Inszenierung explizit auf den 1958 bis in die kleinste Charge ideal besetzten Streifen (Wolfgang Neuss, Wolfgang Müller, Günther Lüders, Helmut Lohner, Paul Esser, Carlos Thompson, Liselotte Pulver, Hubert von Meyerinck – um nur einige zu nennen) beruft, ist man verführt, ihn auch als Maßstab anzulegen.


v.l.: Friedemann Walther, Rita Gmeiner, Kevin Dickmann - Foto © Landestheater Detmold
 
Da braucht sich Christian Jérôme Timmes Fassung mit der originellen Bühne von Hans-Christian Säbel, den phantastischen Kostümen von Imme Kachel und der Cheerleader-Choreographie von Adonai Luna wahrlich nicht zu verstecken. Timme schlägt ein wörtlich zu nehmen buntes Bilderbuch auf, aus dem er ideenreiche Szenenbilder entstehen und Figuren aus den Büchern der Brüder Grimm, Wilhelm Hauffs, H.C. Andersens, Ludwig Bechsteins, Carlo Collodis und Heinrich Hoffmanns purzeln lässt. Mal nehmen sie am Geschehen teil wie der Leibhaftige als Mitglied der Räuberbande, das hölzerne Bengele als Räuberlehrling oder Graf von Sandau auf der Erbse, dann wieder tingeln sie als wundervolle Streiflichter in der Maske des Kleinen Muck, des Struwwelpeter, des gestiefelten Katers, Rotkäppchens, der Frau Holle oder Aschenputtels u.v.a.m. durchs Bild. Da spürt man um sich herum im Theater, wie das Publikum miträt, was wohl gerade jetzt zitiert wird.

M. Klein, M.Gruber - © Landestheater Detmold
Felix Lemke sorgt im Orchestergraben für den passenden flotten Klang, die eingängige Musik stammt von Erfolgsgarant Franz Grothe, die Lieder-Texte sind von Günther Schwenn/Willy Dehmel, was soll da schon schief gehen? Mustergültig ist übrigens auch das einmal wirklich informative Programmheft, das den Besucher nicht mit nutzlosen Eitelkeits-Essays verhinderter Philosophen belästigt, sondern punktgenau mit Fakten, Inhalten und Hintergründen versorgt.
 
Catalina Bertucci (Sopran) gibt eine temperamentvolle Comtesse, Joachim Goltz (Bariton) mit Schwung den edlen Räuberhauptmann, Rita Gmeiner (Alt) ist saftig das dralle Räuberliebchen und Johannes Harten (Tenor) der nicht ganz bibelfeste Pfarrer Haug, der stets die Sprüche Salomos oder was er dafür ausgibt im Munde führt. Sein komödiantisches Talent wird noch von seinem klangvollen Stimmvolumen übertroffen, ein Genuß. Etwas zu schrill und überzogen vielleicht die Figur des Obristen von Teckel (Brigitte Bauma). Heimliche Stars sind, wie einst im Film die unvergleichlichen Wolfgang Neuss und Wolfgang Müller, die harmoniesüchtigen Räuber: Michael Klein (Tenor) als Knoll und Markus Gruber (Tenor) als Funzel. Ihr Traum von einer bürgerlichen Existenz, vom Häuschen mit Garten „Ach das könnte schön sein“ ist nach wie vor der Schlager, den das kundige Publikum sehnsuchtsvoll mitsummt. Das garantierte Vergnügen im ausverkauften Saal.
Wie soll eine Geschichte um eine beinahe entführte Comtesse, die sich als Räuber verkleidet und sich bei dem feschen Hauptmann verdingt, wohl ausgehen? Und daß sich dem Genre angemessen auch andere zu Paaren finden liegt auf der Hand. Happy End? Na klar!


Ensemble - Foto © Landestheater Detmold